Ehrliches Eishockey

3 Januar 2011 Text: Björn Fricke
Foto: Les Stockton / flickr.com unter CC-Lizenz

Fragt man die Fans, die Woche für Woche in die Stadien der kleinen Ligen gehen nach ihrer Motivation dafür, so hört man vor allem eine Floskel: Ehrliches Eishockey schauen.

Aber was hat es auf sich mit dieser Floskel?

Klar sieht man schon alleine aufgrund des Anspruches unseres Sports in den unteren Ligen keine Spielzüge zum Zunge schnalzen. Auch mangelt es oft an Infrastruktur und künstlich erzeugtem Flair, wie es inzwischen auch in Liga Zwei zum guten Ton gehört. Dieser Ausdruck “ehrliches Eishockey” steht in erster Linie für einen Purismus der diese Spiele in den unteren Ligen umgibt. Ein freiwilliger Verzicht auf all das störende Drumherum und der ungetrübte Blick auf Akteure denen man in jeder Aktion ihr Herzblut für den Sport abnimmt, denen man Fehlpass und mangelndes Talent verzeiht, oder auch nicht. Sich so richtig gehen lassen zu können, zwischen Wurstbude und Bierstand, sieht der Fan vor allem seinen Unterhaltungswert im Kämpferischen. Schubst Junior der eigenen Hockeysippe erstmal den drei Köpfe größeren Lulatschverteidiger ohne Rücksicht auf Verluste gegen die Bande geht auf den Rängen den Leuten das Herz auf. Dafür ist man gekommen, nicht für den Taktik-Klimmbimm, nicht für Spielsysteme. Ackern, Kämpfen, die Intensität muss spürbar sein. Auf der Speisekarte des ehrlichen Eishockeys findet kein Hockeygourmet großartig Nahrung, eher deftiges was ordentlich hochgekocht wurde will serviert werden. Aber geht es wirklich nur um das Eishockey?

Paradoxe Situation

Viele Manager raufen sich in diesen Tagen wieder einmal die Haare in den höheren Ligen. Sie können tun und machen was sie wollen. Die Leute bleiben weg. Eklatant wieder einmal die Zuschauerzahlen bei den Gastspielen der beiden Ligen-Spitzenreiter in Wolfsburg und Kaufbeuren. Weder Meister Scorpions, noch die Übertruppe der Wild-Wings aus Schwenningen lockt die Leute vom heimischen Kamin. Eine paradoxe Situation, Top-Spiele, Top-Mannschaften zu Gast, die eigenen Teams überraschend gut positioniert in der Liga. Es interessiert die Leute nicht. Wolfsburg und Kaufbeuren, zwei Clubs die unterschiedlicher nicht sein könnten und beide stehen aufgrund ihrer halbleeren Stadien trotzdem kopfschüttelnd da. Ratlosigkeit macht sich breit. Das nicht nur in Kaufbeuren und Wolfsburg, auch viele andere Clubs sehen einen weiteren Rückgang in der Zuschauerauslastung.

Miteinander aufbauen

Währenddessen bersten die Eissporthallen in Frankfurt und Kassel vor euphorischen Anhängern. Gefeiert werden Siege in der sportlichen Bedeutungslosigkeit. Reporter angezogen vom Phänomen bekommen wieder vor allem diese eine Floskel in ihre Mikrofone gesagt: Ehrliches Eishockey. Deshalb ist man da. Längst ist klar und deutlich das es sich bei den Rekordkulissen vom Eröffnungsspieltag nicht um Eintagsfliegen handelt. Die Leute kommen, der Schnitt liegt deutlich über der 3000er Marke. In Darmstadt freute man sich über Hunderte Gästefans der Löwen aus der Nachbarschaft. In Diez, ebenfalls im Frankfurter Raum gelegen, feierten Busladungen enthusiastischer Husky-Fans den Auswärtserfolg und sorgten erneut für Heimspiel-Atmosphäre.  Jeder will dabei sein, beim Wiederaufbau. Darum geht es. Dabei zu sein wenn man sich wieder aufrichtet, der Drang teilzuhaben an einer Cinderella-Story. Ein bisschen vom “Tellerwäscher zum Millionär” gelebte Eishockey-Hoffnung mit einer gehörigen Portion Demut. Eine Situation in der Mann einen gemeinsamen Traum wachsen sehen und fördern kann. In Kassel bleibt ein fader Beigeschmack, weil die gelebte “jetzt erst recht”-Haltung vieler Fans eine Fortführung der Borniertheit des Sommers darstellt, aber auch dort haben viele inzwischen umgedacht und sehen es als echten Neu-Anfang ohne die das Kasseler Eishockey-Image für lange Zeit national in den Schmutz gezogenen Vorgänger-GmbH.

Auch das Umfeld ist wichtig

Wir haben 100 Schwenninger gefragt, nennen sie uns den Grund warum sie nach Kaufbeuren zum Auswärtsspiel fahren? *UMPF* Kollege Ort drischt den Buzzer und löst selbstsicher grinsend: “GRILLE!”. Kollege Sander verdreht die Augen. Sie wissen nicht was die Grille ist? Fragen sie einen Schwenninger, vielleicht nicht unbedingt Kollege Häger. Der schäumt noch ein wenig über den “Grillenfluch” seines Teams. Es ist eine kleine verhutzelte Pinte im Schatten der Buronenarena, nichts was großartig besonders wäre, aber es gehört halt zur Tradition, zum Auswärtstrip nach Kaufbeuren. Vielleicht kommt es gerade deshalb immer zu den großen Schwanenkarawanen ins Allgäu. Es ist halt verbunden mit schöner Zeit, gemeinsamen Feiern und Fahren. Es ist ein Anreiz sich auf den Weg zu machen, egal was auf dem Eis los ist.

Die Stadion-Partys am Pferdeturm sind ebenfalls bekannt. Viele verweilen noch auf die eine oder andere Gerstenkaltschale in der Stadionkneipe und nicht selten kommt es vor das der gute Vorsatz nach einem Bier strikt nach Hause zu gehen, mit einem ordentlichen Brummschädel in der ersten Straßenbahn am nächsten morgen endet. Besonders am Freitagabend feiern sich hier viele ins Wochenende hinein und das Stadion ist noch in die späten Nachtstunden gefüllt mit Leuten. Die Redaktion kann dies durchaus bestätigen, Prost!

In vielen Stadien ist es leider so, dass es vor und nach dem Spiel einfach keinen Grund gibt da zu sein. Es mag sein das Versuche dies zu ändern marginal mehr Besucher bringen, weniger aber auf keinen Fall. Selbst rein wirtschaftlich betrachtet lassen hier viele Vereine einfach Kapital liegen.

Geht ins Stadion und bleibt dort auch mal

Eure Clubs haben es verdient. Egal ob DEL, ob Landesliga. Ehrliches Eishockey gibt es überall zu sehen. Nur an manchen Orten muss man halt ein wenig mehr Nebengeräusche tolerieren. Macht das Beste draus. Bleibt doch auch mal nach den Spielen in den Stadionkneipen, oder wenn nicht möglich in Stadionnähe. Wegbleiben um seinen Frust zu zeigen, aus welcher örtlichen Situation auch immer, wird niemals positive Konsequenzen mit sich bringen. Es wird keine Strukturen ändern, es wird über kurz oder lang nur eure Clubs weiter schwächen und generell dem Eishockey in unserem Land einen noch schwereren Stand bescheren. Geht ins Stadion und äußert dort euren Frust über das was euch nicht passt. Es ist der bessere Weg, der ehrliche Weg. Macht es wie die Iserlohner, singt euren Frust raus, aber tut es vor Ort. Ihr seht nichts in Augsburg, hängt jede Woche ein Banner oder eine Fahne auf und zeigt Präsenz und begehrt auf gegen dieses Schildbürgertum in Reinkultur. Sammelt für euren Club, wie die Dresdener, auch wenn es ungewiss ist wie weit der Club aus der finanziellen Krise ist. Je mehr wir Fans uns abwenden und die Probleme tolerieren und vor allem durch Wegbleiben ignorieren, desto weniger wird es das Eishockey geben, auch das ehrliche.



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4 Kommentare »

  • Lars said:

    Schön geschrieben, aber schlecht recherchiert.
    Es gab wohl Clubs die sich über starken Besuch der Frankfurter gefreut haben, in Herford jedoch, das schon garnicht in “der Nachbarschaft” liegt, waren nur wenige Frankfurter. Im Gegenteil, dort ist man froh seine “eigenen” 500+ regelmässig da zu haben!

  • Björn Fricke (author) said:

    Berechtigte Kritik! Bei dem Satz wurde eine Menge zusammengeworfen, ich drösel es gleich mal auf, dann ergibt es hoffentlich wieder Sinn. ;)

  • Wutzlhofer said:

    Na ja, aus Schwenninger Sicht sollte man mit den Zuschauerzahlen doch wohl zufrieden sein…
    Und seit wann ist Kaufbeuren Spitzenreiter?

  • Wutzlhofer said:

    Aha, da hab ein kleines Wörtchen überlesen… ähem

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