Tough Guys bis der Vorhang fällt

1 September 2011 Text: Björn Fricke
Foto: Celine Nadeau / flickr.com unter CC-Lizenz

Wade Belak, Rick Rypien und Derek Boogard waren sich nicht zu schade für geringe Gehälter in einer der härtesten Mannschaftssportarten ihre Knochen hinzuhalten.

Alle drei standen am Ende ihrer Karriere als Enforcer – die “Tough Guys” im Hockey- die kämpfen um ihre Star-Mitspieler zu schützen und um ihre Teams anzustacheln. Sie opfern ihre physische Gesundheit für ihre Mitspieler und Fans auf und dies willentlich; und wenn sie für ihre paar Sekunden Kampf im Rampenlicht der großen Arenen stehen, erheben sich die Leute von ihren Sitzen und eine Welle der Emotion schwappt über Spielerbänke und Zuschauerränge. Nie mehr nun für diese drei, die wohl zu den besten Enforcern der Liga gehörten. Gehörten, weil sie nicht nur ihre Karriere beendeten, sondern auch ihr Leben.

Die unbesungenen Helden ohne Zukunft

In der Glitzerwelt der NHL ist der Graben immens groß zwischen Star-Spielern und denen die ihnen den Rücken freihalten, in allen Belangen. Finanziell reden wir bei einem Spieler der Star-Potential hat zum Teil vom zehn- bis sechzigfachen Verdienst, ohne Werbe-Einnahmen und Bonus-Einnahmen aus Merchandising. Ein NHL-Allstar ist meist nach zwei Saisons wenn er seinen Rookie-Vertrag beendet hat für das Leben ohne finanzielle Sorge ausgestattet. Zumeist bleiben selbst nach der Karriere Möglichkeiten in die TV-Branche zu wechseln, oder in Coaching und Betreuer-Stäbe zu migrieren.

Für Enforcer und Tough Guys ist dieser Weg meistens verbaut. Sie sind zu unbekannt und zu untalentiert um in diesen Branchen eine Chance zu erhalten. Wenn Sie mit Anfang 30 ihre geschundenen Körper nicht mehr wettbewerbsfähig über das Eis bewegen können, bleibt ihnen meist nur das was sie von ihren Gehältern zurücklegen konnten. Sie haben zumeist keine exzellenten Finanzberater und Lebensplaner zur Seite und stehen am Ende ohne adequate Ausbildung mit ihren Ersparnissen vor dem Nichts. Wo während der Karriere noch ein wenig Rampenlicht geschienen hat, bleibt am Ende nichts mehr übrig. Die NHL hat keinen Bedarf mehr für sie.

Zwischen Schmerztabletten und Sinnlosigkeit

Wenn man seinen Lebensunterhalt damit bestreitet mehrere Jahre mehrfach die Woche seine Fäuste einzusetzen und Prellungen zu sammeln, hält kaum ein Enforcer diesen Beruf lange ohne medizinische Helferchen aus. “Popping Pills” und schmerzstillende Spritzen sind für diese Akteure Grundnahrung, wie für die meisten Fans die sie kämpfen sehen wollen das Bier und Popkorn. Am Ende steht ein zerschundener Körper, eine Schmerzmittelabhängigkeit und zumeist physische Langzeitschäden, die immer unter dem schönen Sammelbegriff “Sportinvalidität” stehen. Nach der Karriere verschwinden davon lediglich die Fans mit ihrem Bier und Popkorn, die Schmerzen und deren zweischneidige Bekämpfer bleiben.

Rick Rypien, Derek Boogard und wohl auch Wade Belak waren ebenfalls auf diese Helfer angewiesen. Ohne nennenswerte Ausbildung, ohne die gewohnte Umgebung der Mannschaft, ohne den Jubel der Fans, bleibt in einem von Akohol und Schmerzmitteln vernebelten Verstand wenig Sinn. Keines ihrer Talente bringt ihnen etwas in dieser hockeyfreien Welt, auf andere physische Talente können sie nicht mehr voll zurückgreifen. Aus dem Alpha-Wesen auf dem Eis wird ein gebrochener Mensch am Ende seiner mentalen Kraft.

Keine Kraft mehr weiterzukämpfen

Waren Wade Belak, Rick Rypien und Derek Boogard überfordert? Jahrelang trotzten sie dem immensen Leistungs- und Erwartungsdruck der NHL. Am Horizont ihrer Karrieren wurde es nicht leichter, im Gegenteil: Wo ihre Kontrahenten früher ihresgleichen auf dem Eis waren, sind die Probleme nun der simple Broterwerb, das Erdulden und Besiegen der Langzeitfolgen ihrer Enforcer-Tätigkeit, sowie der Weg in ein Leben ohne Eishockey. Der NHL sind sie egal, dem Rest der Welt auch. Man kann nur schwer nachempfinden warum solche mental und physisch starken Individuen nicht auch mit dieser Welt klarkommen, in der sie nicht mehrfach in der Woche ihre Fäuste benutzen müssen. Am Ende wurden sie alle drei aber genau von diesen Problemen überwältigt und besiegt. Es erschüttert mich zutiefst, dass diese drei mit jeder Sekunde ihres Lebens Eishockeyleidenschaft ausstrahlenden Spieler keinen Sinn mehr für sich in dieser Welt sahen.

Es gibt mehr die Hilfe brauchen

Es wird auch nicht bei Dreien bleiben, es wird auch nicht bei nur NHL-Spielern bleiben. Auch im Rest der Welt spielen harte Hunde ohne Ausbildung für zehn Jahre den Wachmann auf dem Eis. Vielleicht ist im Rest der Welt den Spielern eher klar, dass sie nicht ihr ganzes Leben von den Verdiensten ihrer Eishockey-Karriere leben können. Vielleicht suchen mehr dieser Spieler daher frühzeitig nach Alternativen und schinden ihre Körper nicht über einen gewissen Punkt hinaus. Aber es wird immer Spieler wie Wade Belak geben. Wo sind hier die Sicherungsmechanismen, die genau diese ehemaligen Spieler auffangen? Warum schafft man diesen verdienten Spielern innerhalb der NHL-Familie nicht ein Gnadenbrot, was ihrem Stolz und Status gerecht wird. Warum hilft man ihnen nicht aus der Medikamenten-Abhängigkeit und ihren Alkoholproblemen? Wo sind Sportpsychologen und Live-Coaches, die frühzeitig Depressionen und schwindenem Lebensmut Therapie entgegenbringen können?

Für Rick Rypien, Derek Boogard und Wade Belak kommt dieses zu spät. Man kann ihrem Tod jedoch die Sinnlosigkeit nehmen und zukünftig Akteuren Wege  für das Leben nach der aktiven Karriere aufzeigen, damit der Vorhang für sie nicht schon mit Anfang Dreißig fällt.



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3 Kommentare »

  • dominik said:

    ein sehr gut geschriebener Artikel zum Thema Entforcer, hier müssen eindeutig Lösungen geschaffen werden um diese Helden des Eises in ihrem normalen Leben aufzufangen und ihnen Perspektiven zu bieten!! gerade in den unteren Ligen, in denen diese Art von Spieler noch weniger verdienen, ihren Körper dennoch ohne Verluste schinden und alle Knochen für ihr Team hinhalten muss dieser Spieler im Leben “geschützt” werden!! Hier heisst es für die oberen Leute diesen Artikel lesen, darüber nachdenken und effektive Lösungen schaffen! zum Schutz unserer Helden!!

  • Björn Fricke (author) said:

    Der Spiegel hat diesem Thema auch einen Artikel gewidmet. Interessant ist vor allem der letzte Part über den Zusammenhang von Hirnschädigungen durch Gehirnerschütterungen und Kopfverletzungen und psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Hier der Link: http://www.spiegel.de/sport/wintersport/0,1518,784236,00.html

  • Sebastian said:

    Kein guter Sommer, heute ist ein Flugzeug mit wohl der kompletten KHL Lokomotiv Mannschaft abgestürzt. http://sports.yahoo.com/nhl/blog/puck_daddy/post/Report-Plane-crash-kills-majority-of-KHL-team?urn=nhl-wp11993&utm_source=twitterfeed&utm_medium=twitter

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