Mein Freund ist Ausländer!

14 Januar 2011 Text: Matthias Häger
Foto: US Embassy Sweden / flickr.com unter CC-Lizenz

Seit Jahr und Tag kommt bei jeder grundlegenden Diskussion über das deutsche Eishockey das Thema der Kontingentstellen auf den Tisch. Wie viele Ausländer? Was für Ausländer? Warum eigentlich? Viele Fans propagieren, dass man mit einer Reduzierung der Ausländerstellen dem deutschen Eishockey etwas gut tun würde, doch es gibt auch Gegenstimmen, die darauf hinweisen, dass sich Klasse unabhängig von der Nationalität durchsetzt. Ganz schwierig wird es dann immer, wenn es um eingedeutschte Spieler geht, hier ist der Grad schmal, leicht rutscht man in eine Richtung ab, die Menschen in “gute” und “weniger gute” oder “richtige” Deutsche unterteilt. Doch wozu gibt es überhaupt Ausländerregelungen und welche Möglichkeiten gibt es da.

Historisch ist es schnell erzählt. Früher war Mannschaftssport sowieso eine einheimische Angelegenheit, dann kam die Professionalisierung, die zusätzlichen Reisemöglichkeiten und es wurden Ausländer eingesetzt. Man legte eine Beschränkung willkürlich fest und hielt diese bis zum Bosman-Urteil aufrecht. Damit fielen nicht nur die Ablösesummen, sondern der Europäische Gerichtshof bestätigte auch rechtsverbindlich, dass die Regeln der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch auf den Profisport anzuwenden sind. Diese Regeln geben jedem EU-Bürger das Recht, nach freiem Willen in allen anderen Staaten zu leben und zu arbeiten. Restriktionen für Ausländer sind demnach diskriminierend und verboten. In der Folge des Urteils wurden im deutschen Eishockey alle Schleusen geöffnet, man ließ nicht nur Europäer, sondern später auch Amerikaner und Kanadier beliebig ins Land. Kader mit 24 Ausländern waren zu bestaunen.

Identifikationsfiguren

Dies wurde vom Publikum aber nicht angenommen, ständig wechselnde Spieler ohne Beziehung zum Verein, ohne Identifikation und mit Söldnermentalität vergraulten altgediente Fans. Diese wollen sich auch mit den Spielern identifizieren, am besten mit einheimischen, die man auch noch unter der Woche beim Bäcker trifft. Hier liegt der erste Grund für eine Ausländerbeschränkung: Das Produkt besser beim Zuschauer vermarkten. Doch das ist leider kein gutes Argument, denn eine Romantisierung des Profisports und der alten Zeit sind nicht geeignet, um Grundrechte einzuschränken. Und mit einem ehrlichen Blick auf das Geschehen, muss man konstatieren, dass auch deutsche Spieler nicht unbedingt heimatgebunden sind, die Identifikation mit dem Verein oft nur vorgespielt wird und am Ende doch wieder das Geld zählt. Die Spieler wissen, was die Fans sehen wollen und geben es ihnen. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Also beschloss man die Kontingentstellen zu reduzieren. Die Zahlen variierten in den Jahren, unterscheiden sich auch zwischen den einzelnen Ligen. In der DEL ist man bei zehn Ausländern angelangt, in der 2. Liga sind es fünf. Welche weiteren Gründe, welche Probleme und welche Möglichkeiten gibt es?

Hauptgrund in jeder Diskussion ist die Förderung der deutschen Spieler: Wenn weniger Ausländer da sind, dann spielen mehr Deutsche, dann werden die Deutschen auch besser. So die Argumentationskette, die aber leider sehr angreifbar ist. Würde dadurch das Gesamtniveau sinken, warum sollten dann die einzelnen Spieler besser werden? Schlechte Spieler werden auch nicht automatisch dadurch besser, indem man sie ständig spielen lässt. Spieler können auch von starken Ausländern lernen, indem sie auf höherem Niveau gefordert werden, als wenn sie unter sich spielen. Zudem muss man fragen, ob überhaupt ein genügendes Reservoir an deutschen Spielern vorhanden ist oder ob durch eine künstliche Verknappung des Angebots nicht nur die Preise steigen. Die stetig beim Amt für Einbürgerung anklopfenden Vereine sprechen für diese Theorie, dass man leistungsmäßig vergleichbare deutsche Spieler nicht zum selben Preis bekommt. Ohne eine Stärkung der Basis und eine höhere “Produktion” an gut ausgebildeten und qualifizierten Nachwuchsspielern ist eine sofortige Reduktion der Ausländerstellen nichts als ein kurzsichtiger Aktionismus.

Ohne jetzt weiter auf die Spieler an sich einzugehen, die manchmal lieber in der DEL auf der Bank sitzen, als in der Oberliga tragende Rollen anzunehmen: Aus wirtschaftlichen und sportlichen Gründen ist eine Ausländerbeschränkung nur sehr schwer zu begründen.

Trotzdem ist eine überwältigende Mehrheit – auch in der STARTING6-Redaktion – natürlich für eine Reduzierung, oft auch aus nicht immer rationalen Gründen. Aber letztlich spielen wir immer noch eine deutsche Meisterschaft aus, die auch von deutschen Spielern entschieden werden sollte. Wobei ein vollständiger Ausschluss von Ausländern nicht gefordert wird, denn es sind auch die ausländischen Stars aus der NHL und Co., die das Publikum in die Stadien locken und mit ihren Fähigkeiten begeistern.

Die bösen Grundrechte

Sind wir uns also einig, dass eine Beschränkung gefordert ist, dann läuft man schnell in ein rechtliches Problem. Ausländerbeschränkung ist Diskriminierung. Punkt. Aus. Die Gentlemen’s Agreements im deutschen Profisport sind rechtlich so nicht haltbar, jeder Spieler, der in Luxemburg klagen würde, würde Recht bekommen und das ganze Konstrukt zum Einsturz bringen. Wie wir bei Bosman gesehen haben, ist sowas nur eine Frage der Zeit. Aus diesem Grund ist es sehr schwer eine Forderung umzusetzen, die eine Reduzierung wie in der Schweiz auf zwei, drei oder vier Ausländer vorsieht. Denn je stärker die Einschränkungen, desto höher die Gefahr, dass ein frustrierter, ausgebooteter Spieler auf dem Gerichtsweg die Ligen in ein erneutes Chaos stürzt. Sowas geht nur langfristig, mit langsamen Absenkungen, um Einzelschicksale zu vermeiden.

Bleibt nur eine umgedrehte Ausländerregelung, eine “Positivregelung”. Wir beschränken nicht die Ausländer, sondern verpflichten die Clubs auf eine bestimmte Anzahl deutscher Spieler. Diese Regelung wird als “Local Player” – Regelung im Fußball umgesetzt. Dort müssen eine bestimmte Anzahl Spieler pro Club aus dem eigenen Nachwuchs stammen und nochmal einige Spieler in Deutschland ausgebildet werden. Damit umgeht man die rechtlichen Klippen, denn keinem Ausländer wird aufgrund irgendwelcher Regelungen die Arbeitsaufnahme verweigert und eine Mindestmenge an bestimmten Arbeitnehmern ist keine Diskriminierung.

Zudem würde diese Regelung auch noch einige “Problemfälle” beseitigen. Nehmen wir den jungen Türken oder Italiener, der nach Deutschland kommt, dort das Eishockeyspielen erlernt, 14 Jahre in einem bayrischen Traditionsverein ausgebildet wird und dann im Profibereich auf einmal als Ausländer gelten soll. In den 14 Jahren wurde mehr für den Nachwuchs und die Integration getan, als bei einem 32jährigen Kanadier, der auf dem Gnadenweg seinen deutschen Pass bekommt.

Deswegen bin ich für eine Berücksichtigung der heimischen Ausbildung und für eine Mindestquote an hier ausgebildeten Spielern, aber gegen eine zu starke Beschränkung von Ausländern. Wie seht Ihr das?


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Ein Kommentar »

  • Tobi said:

    Ich würde sogar noch ein wenig weiter gehen.
    5 Ausländer und der Rest durch Deutsche oder in Deutschland ausgebildete Spieler auffüllen fände ich schon mal sehr gut, zudem dann auch wieder gute Ausländer in Deutschland spielen würden, nicht das was man jetzt im Moment zu sehen bekommt.
    Zudem würde ich aber auch vorschlagen, endlich die Mannschaften aus der DEL zu schmeißen, die überhaupt keine Nachwuchsarbeit bzw. fast keine leisten. In die DEL gehört meiner Meinung nach die Mannschaften, die auch selber ausbilden. Es ist eine Schande, jedes Jahr zu sehen wie die Talente aus Füssen, Rosenheim, Landshut, Kaufbeuren, Rießersee usw…weggekauft werden um dann in der DEL zu versauern.

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