Wer braucht Kontingentspieler?

11 Juni 2010 Text: Ralf Leising
Foto: Mr. T in DC / flickr.com

Wir kennen sie, die Diskussion, beinahe genauso lang, wie wir schon in den Eisstadien der Republik Spiele besuchen, stellen wir uns diese Frage: Wie viele ausländische Spieler sind gut für die jeweilige Liga? Im Extremfall sogar: Brauchen wir überhaupt Kontingentspieler?

Die Zeit der ausländischen Topstars in Deutschland

Es ist Samstag, ich sitze bei einer Feier und nach dem Essen geht es bei einem gemütlichen Umtrunk wieder einmal um das Thema Eishockey. Um mich herum sitzen am Tisch neben den genervten Ehefrauen und Freundinnen, ehemalige Spieler und ein Trainer aus dem Nachwuchsbereich. Es geht hoch her: Die älteren Semester sind sich sicher: Die Ausländer vor 20 Jahren waren von anderer Qualität, als die vielen, die man heute zu sehen bekommt! Überhaupt müsse in jeder Liga bei den Kontingentspielern stark reduziert werden. Namen fallen: Bill Lochead, Vladimir Dzurilla, Dave Silk, Vladimir Martinec, Chris Valentine, Pavel Richter… Die Liste ließe sich unendlich fortführen. Eines fällt bei all diesen Namen auf: Sie gehören ohne jede Frage zum „Who is Who“ des Welteishockeys. Diese Spieler waren, in den Augen aller in der Runde, die große Attraktion. Sie seien das Eintrittsgeld alleine wert gewesen, wird in der Runde ausgerufen. Sie waren es – ohne Frage! Die Fremdspieler heute seien dagegen nur 2. Wahl, in den unteren Ligen nicht einmal das. Am Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft bei den olympischen Spielen in Vancouver könne man das genau sehen! Ist das tatsächlich der Fall, stelle ich mir die Frage?

Weniger Kontingentspieler – alles besser??

Sicher, seinerzeit gab es nur drei Kontingentspieler pro Mannschaft, was automatisch dazu führte, dass die deutschen Spieler mehr Eiszeit bekamen. Waren sie deshalb besser?

Die Expertenrunde ist sich einig: Da müsse man wieder hin, zumal man in der 2. Bundesliga und in der Oberliga auch gar keine Ausländer bräuchte. Ich höre in mich hinein und denke an meinen Heimatverein, der in eben dieser 2. Bundesliga spielt. Er tat dies in der vergangenen Saison mit sechs ausländischen Spielern. Würde ich einen von ihnen hergeben wollen? Oder sollte das Team zukünftig tatsächlich gar ohne Kontingentspieler antreten? Ich mag es mir ehrlich gesagt gar nicht vorstellen. Nach einigem Für und Wider bin ich dann offenbar doch nicht der Einzige in der Runde, dem es so geht.

Dennoch zeigen sich hier, meiner Meinung nach, einige Grundprobleme: Warum sollten gerade die Anhänger von Vereinen in der zweiten und dritten Liga auf die Attraktion ausländischer Spieler verzichten müssen? Sind die Kontingentspieler heutzutage tatsächlich nur noch 2. Wahl? War das deutsche Team früher wirklich besser? Oder werden hier zu Unrecht alte Eishockey-Zeiten verherrlicht? Schließlich: Sollen die Ausländer reduziert werden und wenn ja, um wie viele Spieler in welchen Ligen?

Ausländische Spieler als Attraktion

Eines, denke ich, ist unstrittig: Bei einer Anzahl von zehn ausländischen Spielern in der höchsten Spielklasse pro Verein, aktuell sechs in der 2. Bundesliga und noch einmal drei in der Oberliga, besteht durchaus die Gefahr, dass einige Spieler dabei sind, die sich in ihrer Spielstärke nicht deutlich von ihren deutschen Kollegen absetzen. Zudem kann man aufgrund der Gesamtanzahl der Kontingentspieler nicht davon ausgehen, dass es sich nur um Topstars der Szene handelt. Auch werden die ausländischen Spieler in den unteren Ligen im Durchschnitt (Ausnahmen wird es immer geben) im Leistungsniveau etwas schlechter sein.

Bedeutung für das National-Team

War das deutsche Nationalteam früher tatsächlich besser? Soweit ich mich erinnern kann, war der DEB  vor etwa 20 Jahren, zunächst in einem Achterfeld der A-Gruppe Fünfter, dann nach der Erweiterung  der A-Gruppe etwa zwischen sechs und neun platziert und immer wieder gab es Ausreißer nach unten, sprich Abstiege! Genauso kann ich mich erinnern, dass es gegen die ehemalige Sowjetunion regelmäßig Prügel in Form deutlicher Ergebnisse setzte (bei wenigen Ausnahmen).

Andere Nationen, die hinter uns rangierten oder mit welchen wir auf Augenhöhe waren, sind uns etwas davongelaufen oder haben aufgeholt, das ist sicher. Als Beispiele seien hier nur Finnland und die Schweiz genannt. Hat dies mit der Ausländerzahl pro Liga und Verein zu tun oder sind es rein strukturelle Probleme? Das ist sicher schwer zu sagen, aber es wird beim Blick auf die Schweiz deutlich, dass den Eidgenossen die wenigen Kontingentspieler gut getan haben.

Nach langem hin und her ist man sich am Samstagabend auch in der Runde einig: Niemand soll auf den Reiz der ausländischen Spieler verzichten – sie sind wirklich das Salz in der Suppe. Ohne sie geht es nicht und sie haben in der DEL genauso ihre Berechtigung, wie in Liga 2 oder in der Oberliga. Aber eine schrittweise Reduzierung täte sicher allen Ligen gut.


Dieser Beitrag gefällt mir und ist mir etwas wert: [info]

Ähnliche Artikel

3 Kommentare »

  • Südbayern said:

    Deine Argumentation mit dem Suppen-Salz hat sicher eine Berechtigung. Aber die Herleitung deiner Argumantation finde ich zu dünn, da sie einige wichtige Punkte ausblendet.
    Zum Beispiel: Wer behauptet denn, dass NUR Ausländer das Salz in der Suppe sein können? Derzeit ist das sicher so, da zu wenige deutsche Spielerpersönlichkeiten existieren. Aber wie sollen die entstehen, wenn du als deutscher auf höherem Niveau immer nur für die 3. und 4. Reihe geplant wirst?
    Schaut euch die 80/90er mal an, DEG, Köln, Rosenheim… Fischer, Ammann, der verrückte Wacki Kretschmer, Kießling, auch später ein junger Lupzig, Höfner (!), Hilger. Echte Duelle, Spieler die polarisiert haben, sogar technisch weniger beschlagene wie ein Butzi Reil… Auch die waren das Salz in der Suppe, zusätzlich zu den Top Ausländern (Sherven, Derkatch, Lee etc).
    Die sind aber nur zu solchen Highlights geworden, WEIL sie schon von jungen Jahren spielen durften, Verantwortung übernehmen mussten. Die sind nicht mit 25 als Topspieler auf die Welt gekommen, sonder früher integriert worden. Das haben damals (Fans anderer Mannschaften können das sicher bestätigen) einfach mehr Deutsche schaffen können, und die Fans haben dann eben für diese Leute bezahlt, weil auch Deutsche Spieler ihr Geld wert waren. Ein Manfred Ahne hatte in Rosenheim dann genauso Heldenstatus, besonders nach seiner Augenverletzung.
    Heute wird denn deutschen Spielern einfach nicht mehr die Chance gegeben, bzw. die “Plätze” sind begrenzt und es setzen sich deshalb eben nur gewisse Spielertypen durch. Knallharte große Verteidiger zum Beispiel gibt es aus deutscher Jugend so gut wie gar nicht, da dieser Typus immer eingekauft wird.

    Die Frage ist aus meiner Sicht also falsch gestellt: Es muss nicht heißen, OB wir Kontingentspieler brauchen, sondern wie viele Deutsche wir brauchen. Aus meiner Sicht ist weniger mehr, was Ausländer angeht. Je mehr Deutsche benötigt werden, desto größer wird der Druck, Nachwuchs auszubilden. In Rosenheim (sorry, da kenn ich mich halt noch am besten aus, trifft auf andere Vereine natürlich auch zu) sind viele Spieler produziert oder weitergebildet worden (wenn sie aus anderen Vereinen in der Jugend kamen), deren Karrieren dann unterschieldich verliefen, weil der eine Eiszeit bekam und der andere nicht. Hager & Hinterstocker, z.B.

    Von den Torhütern ganz zu schweigen, wo die PLätze noch limitierter sind. Und als 3. Torwart mit Sitzgarantie wirst mit Anfang 20 halt nicht besser, sondern du musst spielen, spielen, spielen.

    Also: Ausländer ja, aber weniger. In den unteren Ligen tuns 3 auch, ausländische Torhüter bitte gar nicht. Schon aus Marketing-Sicht war das auch immer eine Schlüsselposition, die mit einem Deutschen vor allem überregional besser besetzt ist.

    Wenn früher irgendwas wirklich besser war, dann aus meiner Sicht die Identifikation der Fans mit ihren Mannschaften UND die Identifikation auch der ausländischen Spieler mit ihren Teams. Da war mehr Kontinuität drin.

  • Ralf Leising said:

    Hallo Südbayern,

    vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Ich kenne sie auch noch, die vermeintlich guten alten Zeiten des deutschen Eishockeys (nur am Rande: Auch damals war längst nicht alles Gold was glänzte!!) Wenn ich mich nicht sehr irre, dann komme ich aber in meinem Kommentar genau zum gleichen Schluss wie du – nämlich, dass Kontingentspieler das Salz in der Suppe sein KÖNNEN und wir nicht derart viele davon brauchen wie im Moment in den verschiedenen Ligen spielen. Das bedeutet im Umkehrschluss doch automatisch, dass die deutschen Spieler wieder mehr in diese Rolle schlüpfen (können und auch müssen!). Wie herum man jetzt genau die Frage stellt (wie viele Kontingentspieler oder wie viele deutsche Spieler) halte ich im Übrigen auch nicht für so entscheidend – so lange das Ergebnis stimmt (wenige, dafür herausragende ausländische Spieler der Extraklasse). Sehr gut finde ich deine Anmerkung mit den Torhütern! Da fände ich es auch gut und angebracht, wenn man auf ausländische Kräfte verzichten würde…andere finden das wieder ganz anders!
    Es ist halt wie immer: Es finden sich Argumente für und gegen nahzu alles.

  • Südbayern said:

    Klar, die Frage lässt sich meiner Meinung nach wahrscheinlich auf dem klassischen argumentativen Weg nur lösen, wenn man endlich eine gemeinsame Argumentationsgrundlage schafft. D.h., dass man sich auf ein langfristiges gemeinsames Ziel einigt.
    Bisher (und jedes Jahr schlimmer) sind die Ansätze auf Vereinsebene bzw. auf 1.-Mannschaft-Ebene sehr unterschiedlich. Wenn ich alles andere (langfristige) ausblende und den kurzfristigen Erfolg der 1.-Mannschaft als alleiniges Hauptziel sehe, dann gibt es eben mehrere Wege und entsprechende Argumente. Je weiter der Rahmen gesteckt wird, das heisst je langfristiger ich denke, desto klarer werden aus meiner Sicht die Argumente gegen eine große Zahl an Kontingent-Spielern.
    Klar ist dabei auch, dass viele Standort derzeit einfach auf eine kurzfristig erfolgsorientierte Strategie setzen müssen, um den Standort bzw. den sportlichen Status Quo zu halten.
    Die Frage, ob das immer so gut ist, ist natürlich eine polarisierende, niemand hört gerne, dass sein Standort eine Liga zu hoch spielt und eigentlich nicht überlebensfähig ist.
    Andererseits bin ich der Meinung, dass es wesentlich mehr Beispiele gibt, in der ein Verein auf kleinerem Fuße (auch zwangsweise) am Ende gesünder da steht, als die Dicke-Hose-Jungs, von denen 3 von 5 irgendwann Pleite gehen und dadurch mehr Potenziale kaputtmachen als auszunutzen. Es dauert einfach Jahre, um eine Sport-/Fan-/Sponosrenkultur zu schaffen, aber oft nur eine Saison/Pleite, um mit dem Arsch wieder alles einzureißen, was man über Jahre mit den Händen aufgebaut hat.

    Fürs Eishockey insgesamt wäre es sicherlich besser, wenn bspw. auch die WM dazu führen würde, die vieldiskutierten (Über-)Ziele auf einer breiteren Basis zu verankern. Die wären aus meiner Sicht unter den Schlagworten Kontinuität und Identifikation zusammenzufassen.
    - Stärkung der Nationalmannschaft. Man muss einsehen, dass NUR die Nationalmannschaft PR-Effekte erzielen kann, die eine überregionale Reichweite in primär nicht oder nur peripher eishockey-interessierte Zielgruppen erreichen kann.
    - Stärkung der DEL. Nur mit dem Momentum aus der Nationalmannschaft kann es die DEL schaffen, Eishockey in der Medienwelt besser zu verankern. Dazu ist es wichtig, dass die Nationalspieler auch in den Vereinen bzw. neudeutsch “Organisationen” tragende Rollen spielen.
    - Stärkung des Unterbaus (2.Liga und Oberliga), um für DEL und Nationalmannschaft genügend frisches Blut liefern zu können.
    - Stärkung des Nachwuchses um wiederum den Unterbau zu “beliefern”.

    Wenn ich diese Pyramide, in der nur von Ausnahmetalenten Stufen übersprungen werden können/sollen im Regelwerk manifestiere, ist die Reduzierung von Ausländerstellen logisch. Die Reduzierungsopfer werden als erstes die Spieler sein, an denen sich auch die begründeten Befürworter von vielen Kontingentspieler stören: Die überzähligen Ausländer, die Vereinshopper, die Rentenvertragler, die Namen spazierenfahren, die charakterlich schwierigen weil unberechenbaren, die Abzocker. Die guten Kontis, die überbleiben, sind dann aber ihre Plätze auch wert, als Identifikationsfiguren für Fans, Nachwuchs, Medien und auch als Erfolgsgaranten (im besten Fall).

    Im Grunde ist es eine künstliche Verknappung, die die Verantwortlichen dazu zwingt neue Wege zu gehen. Gute Deutsche werden teurer werden, klar. Teurer Spieler haben besser Chancen, auch entsprechend eingesetzt zu werden. Spielpraxis schafft Leistungskonstanz und – entwicklung.
    Der Kostendruck wird dazu führen, dass die Vorstände Alternativen zur Verpflichtung von Massenkontingentspielern als Füllmaterial suchen müssen und der Druck erhöht wird, die Ausbildung und Entwicklung von deutschen Spielern zu fördern. Ich denke, dass nur wirtschaftlicher Druck da zu Verbesserungen führen kann.
    Zwingend ist dazu aber, dass die “Pyramide” von einer Ligenstruktur und entsprechenden Satzungen glasklar ist und man sich drauf verlassen kann, dass sie in ein paar Jahren auch noch Substanz hat.
    Da muss das Gesamtkonstrukt mehr wert sein als der einzelne Standort. Das ist im Einzelfall hart, aber nur so setzen Selbstreinigungskräfte ein.
    Naja, ein vielfach geäußerter frommer Wunsch, vielleicht erfüllt er sich irgendwann ja.

Schreibe einen Kommentar!

Schreibe hier dein Kommentar, oder schreibe einen Trackback auf deine Seite.

Sei nett. Halte die Kommentare sauber. Bleib beim Thema. Kein spamming. Keine Trolle.

Folgende HTML-Tags sind in den Kommentaren erlaubt:
<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>