“Viel grün, viel Wald, extrem ruhig und locker”

20 August 2010 Text: Dominik Sander
Foto: Dinur Blum / flickr.com

Es ist Sommerpause im Eishockey. OK, in Deutschland geht es mit den Testspielen schon los, aber die NHL hat noch ein wenig Pause. STARTING6 hat die Chance genutzt und Marcel Goc bei seinem Heimaturlaub gesprochen. Wir trafen ihn in Bietigheim-Bissingen bei einem Jugend Camp.

>> Viele Interviews wirst du nicht auf deutsch führen, müssen wir auch auf Englisch ausweichen?

Ja, Englisch wäre mir schon lieber (lacht). Nein deutsch ist natürlich okay.

>> Das ist hier beim Porsche Jugend Camp für die ganzen jungen Spieler sicher auch besser.

Stimmt, die verstehen auf Englisch meist noch nicht so viel.

>> Ist das für dich sehr wichtig, so ein Besuch, bzw. eine Trainingseinheit mit jungen Spielern?

Ja, ich denk schon, bzw. ich hoffe es, dass es für die Jungs eine gute Erfahrung ist. Weil mir macht das immer Spaß, wenn ich mit den Kindern auf dem Eis sein darf und gerade bei so einem Camp ist das super, wenn Spieler aus der ersten Mannschaft oder eben aus der Nationalmannschaft mal vorbeigucken. Und für die Kinder ist das natürlich auch ein riesen Spaß, wenn sie nicht nur ihre normalen Trainer sehen, sondern auch die Spieler, die sie sonst nur im Fernsehen anschauen.

>> Hast du auch jemand berühmtes, bekanntes bei einem deiner Jugendcamps getroffen?

Mmmh,.. eher nicht. Klar ich war auch bei so Powerskatingschulen. Und alles weitere, hab ich von meinem Vater und meinem älteren Bruder gelernt. Ich weiß nur noch, ich war in Quebec bei dem PeeWee Turnier, dem größten Jugendturnier der Welt mit über 100 Mannschaften, und dann kam der Statsny, Peter Statsny hieß er. Der hat mir damals zwar überhaupt nichts gesagt, erst jetzt als ich etwas älter bin weiß ich, dass der ja doch nicht so schlecht war in Sachen Eishockey. Damals hat er halt auf meiner Jacke unterschrieben und ich fand das echt cool, dass ich da eine Unterschrift bekommen hab. Damals kannte man nur die großen deutschen Namen und aus der NHL halt Gretzky und Lemieux. Aber die kamen leider nicht.

>> Du hast eben deinen Bruder angesprochen, dass du alles von ihm gelernt hast. Wie kommt es dann, dass du eine NHL Karriere hinlegst, und er an dieser Hürde gescheitert ist?

Naja, er war ja auch vier Jahre drüber. Und es reicht halt nicht nur Können, damit du den Sprung schaffst. Du brauchst auch die richtigen Leute die hinter dir stehen in der Organisation und dann muss es natürlich auf deiner Position Platz für dich geben. Und als Sascha in New Jersey war, da haben die glaub grad den Stanley Cup gewonnen, im Folgejahr wieder im Finale und waren eigentlich jedes Jahr die Favoriten. Da ist es natürlich deutlich schwieriger den Sprung in eine solche Mannschaft zu schaffen. Die hatten damals Spieler wie Scott Niedermayer, Scott Stevens oder Brian Rafalski, da ist es natürlich schwierig. Colin White war auch noch dort, wobei, der ist auch immer noch in New Jersey. Sascha hat es dann eigentlich fast geschafft als Scott Niedermayer sich verletzt hatte. Da musste er neben Scott Stevens erste Reihe spielen und hat seine 27 bis 28 Minuten pro Spiel gespielt. Doch dann kam Niedermayer wieder zurück und Sascha wurde wieder ins Farmteam geschickt. Als Spieler ist das natürlich frustrierend. Wenn du gut spielst und du hörst von anderen du spielst gut, bist selber der Meinung, dass du deine Aufgabe gut erfüllt hast, und andere legen dir immer wieder Steine in den Weg.

>> Wie groß war denn der Kulturschock von Gechingen (Wohnort von Marcel in Deutschland, d.Red.) nach San Jose?

Ja, das ist schon ein großer Unterschied. In Gechingen haben wir ja nur so 3000 bis 4000 Einwohner und in San Jose wohnen ja über eine Millionen. Wobei San Jose ja nicht eine Großstadt im eigentlichen Sinne ist. Die Stadtmitte ist da nicht so, wie man das aus San Francisco oder New York kennt, da ist in San Jose eigentlich tote Hose. Wenn man in die Stadt will, geht man nach San Francisco. In San Jose gibt’s da nur viele Malls wo man am Wochenende eben hin geht. Das hat meiner Frau und mir aber schon gut gefallen. Weil es eben doch Kalifornien ist, so wie man sie es vorstellt. Sonnenschein, schönes Wetter, innerhalb von 30 Minuten war man am Strand und in die andere Richtung warst du in zwei Stunden In den Bergen zum Skifahren. Hab ich zwar noch nie gemacht, aber man kann es machen. (lacht)

Jetzt in Nashvilles ist es eher wie in Deutschland. Viel grün, viel Wald, extrem ruhig und locker. In den Großstädten rennen die Leute von einem Ort zum anderen und immer ein Gewusel auf den Straßen. Aber in Nashville hat man das nicht. Das ist alles etwas ländlicher, es ist als ob da die Zeit etwas langsamer läuft.

>> Du bist der am höchsten gedraftete deutsche Spieler aller Zeiten. Wie bewusst ist dir das eigentlich? Denkt man da ab und an drüber nach?

Mich freut das, dass es so ist. Das ist schon was Besonderes. Damals war ich froh, dass ich überhaupt gedraftet wurde, dass es so weit vorne war, umso besser. Und es kommt ja auch nicht jeden Tag vor. Ein bisschen stolz macht es mich natürlich schon, aber ich hoffe, dass es in den kommenden Drafts wieder mehr deutsche Spieler vorne gedrafted werden. Auch wenn es eigentlich egal ist, wo du gedraftet wirst. Das heißt ja nur, dass du zu dem einen Zeitpunkt etwas besser warst als andere Spieler. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass du den Schritt dann auch packst. Es schaffen auch längst nicht alle erstrunden Drafts in die NHL.

>> Wie hast du von dem Draft erfahren? Wird man da angerufen oder liest man es am Tag danach im Internet?

Nein, ich war ja drüben zum Draft. Es gibt ja vor dem Draft die ganzen Listen wodurch man etwas abschätzen kann, ob man überhaupt gedraftet wird, und ob man etwas weiter vorne oder weiter hinten landet. Die Spieler, die vermutlich in den ersten beiden Runden gedraftet werden, werden dann zum Draft eingeladen. Die erste Runde wird ja auch live im Fernsehen übertragen. Bei meinem Draft damals war das in Miami. Da sitzt du dann im Stadion und unten auf der eigentlichen Eisfläche sitzen die ganzen Manager und Trainer der ganzen Vereine an großen Tischen. Vorne ist eine kleine Bühne aufgebaut mit einer großen Tafel auf der die Reihenfolge festgehalten wird. Die Vertreter laufen dann nach vorne auf die Bühne und sagten dann, in meinem Fall „San Jose Sharks, wir draften aus Deutschland von Schwenningen: Marcel Goc.“ Zack, kommt die Kamera, da die wissen wo du sitzt, dann musst du nach vorne laufen. Dann bekommst du dein Trikot, es werden Fotos gemacht, Interviews geführt und anschließend lernst du die Leute von der Organisation kennen. Das ist alles noch schön locker, und später kommt dann das Trainingslager. (lacht)

>> Aber es hat sich gelohnt. Letzte Saison in den Playoffs schlug euch nur so ein kleiner Verein aus Chicago. Konnte man das erahnen, dass ihnen der große Coup gelingt?

Ja schon, die waren ja von Anfang an großer Favorit. Und immer wenn sie gegen einen der anderen Favoriten gespielt haben, hatten sie die Nase immer ein bisschen vorne. Und in den Playoffs waren wir natürlich krasser Außenseiter. Wir waren ja froh, dass wir überhaupt so weit gekommen sind, uns hat ja vorher keiner auf der Rechnung gehabt. Und wir waren eigentlich sehr nah dran, das fünfte Spiel haben wir eigentlich schon gewonnen gehabt. Aber dann kassieren wir in eigener Überzahl sieben Sekunden (es waren 14 Sekunden, d.Red.) vor Schluss den Ausgleich. Der Hossa saß da auf der Strafbank, der hat da 2+2 bekommt, oder waren es sogar fünf? (es eine 5-Minuten-Strafe, d.Red.) In der Verlängerung hatten wir auf jeden Fall noch ein paar Minuten Überzahl. Kein Tor, Hossa kommt grad von der Strafbank, die laufen runter, Schuß, Hosse bekommt den Nachuss, leeres Tor, Spiel vorbei. Das war schon deprimierend.

>> Da waren deine ersten NHL-Play-Off-Erlebnisse schon angenehmer.

Ja, das waren meine ersten Spiele. Damals haben wir es bis ins Halbfinale geschafft, da war dann halt Schluss gegen Calgary. Seit dem bin ich aber nicht mehr so weit gekommen. Es ist schon nicht so einfach, dass man ins Finale kommt und da auch noch gewinnt.

>> Das erwartet aber mit Nashville oder San Jose auch niemand.

In San Jose war das schon ein wenig anders als jetzt in Nashville. Die sind ja auch immer vorne dabei. Eigentlich. Aber in den Play-Offs hats bisher immer nicht geklappt. In der normalen Runde immer alles abgeschossen und in den Play-Offs war immer Schluss.

>> Dein Jahresgehalt steht für jeden lesbar im Internet. Ist das gut oder schlecht?

Das ist egal, ich bin ja da nicht der Topverdiener.

>> Für deutsche Spieler eigentlich schon.

Stimmt, bei den deutschen bin ich schon vorne mit dabei. Und es ist in Amerika eben so geregelt. Damit es da keine Ungerechtigkeiten gibt. Wenn da ein Spieler an der unteren Gehaltsgrenze liegt und entsprechende Leistungen bringt, dann wird sein Gehalt mit anderen Spielern seiner Qualität verglichen und angepasst. Das kann mehr sein, kann aber auch weniger sein. Ich denk schon, dass das eigentlich richtig so ist. Klar gib es Ausnahmen, wenn ein Verein unbedingt DEN Spieler will. Hier in Deutschland ist das eben anders. Da sind Gehälter ein großes Geheimnis. Klar, auf der einen Seite ist es gut, du bist ein Arbeiter wie jeder andere auch. Auf der anderen Seite kann es sein, dass es große Gehaltsunterschiede gibt, bei gleichwertigen Spielern. Hat beides Vor- und Nachteile.


Weiter geht es mit Teil 2.


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2 Kommentare »

  • Großstadtindianer said:

    Das gleiche Interview kann man ja auch auf http://www.del.org lesen…!

  • Dominik Sander (author) said:

    @Großstadtindianer
    Aber das komplette, ungeschnittene Interview gibt es nur bei uns! :)

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