Das Ligenchaos – ein Kommentar

26 Februar 2010 Text: Ralf Leising
Foto: alexbarrows / flickr.com

Die Eishockeyfans der 2. Bundesliga und vor allem die der Oberliga kennen das Szenario. Kaum eine Saison vergeht, ohne dass sich Struktur, Gestalt, Zusammensetzung, Spielmodus oder Regularien des Unterbaus im deutschen Eishockey ändern.

Man blickt regelmäßig in das verwunderte und verständnislose Gesicht des Nachbarn, der als Gelegenheitszuschauer an Weihnachten mit ins Eisstadion kommt und wieder mal nicht nachvollziehen kann, was da gerade vor sich geht: „Wie viele Mannschaften, sagst du, spielen in dieser Liga?“, „Welche Plätze berechtigen für die Play Off-Qualifikation?“, „Was sind noch mal Pre-Play Offs?“ Solche oder ähnliche Fragen versucht man mit mehr oder weniger Erfolg zu beantworten, erntet aber in den allermeisten Fällen nur Kopfschütteln. Ein guter Freund von mir, der die Geschicke unseres Heimatvereins eben als ein solcher Gelegenheitszuschauer verfolgt, hat mir nicht erst ein Mal die Frage gestellt: „Warum machen die das eigentlich nicht wie im Fußball? Da ist die Struktur einfach und für jeden leicht nachvollziehbar.“

Natürlich lässt sich Fußball nicht mit Eishockey vergleichen, schon allein aufgrund stark differierender Fananzahl und struktureller Gegebenheiten. Folglich suche ich jedes Mal händeringend nach fadenscheinigen Gründen, um sein Verständnis für die vermeintlich ach so komplizierten Gegebenheiten zu erwecken, aber im tiefsten meines Herzen denke ich mir immer mehr: Recht hat er! Natürlich variiert im Eishockey die Anzahl der Vereine, mit welchen man zum Beispiel eine Oberliga bestücken könnte, oftmals sogar von Saison zu Saison, stark. Aber das alleine als Begründung für diesen ständigen Wechsel zu sehen, wäre nicht ausreichend. Ich würde den Spieß daher gerne einmal umdrehen und die Situation von einer anderen Seite beleuchten.

Haben Sie schon einmal davon gehört, dass sich in Russland, Finnland, Schweden oder Tschechien Vereine der 2. oder 3. Spielklassen über Ligeneinteilungen beschwert und mit einer Nichtteilnahme am Spielbetrieb gedroht hätten, für den Fall, dass bestimmte, von ihnen gewünschte Änderungen, nicht vorgenommen werden? Wenn Ihnen solche Fälle einem dieser Länder bekannt sind, mailen Sie mir bitte! Soviel ich weiß, ist so etwas, wenn überhaupt, abgesehen von wenigen Einzelfällen, nicht vorgekommen. Der Grund dafür ist in meinen Augen recht einfach. Alle diese Länder verfügen über einen starken Verband. Dieser gibt die Ligenstruktur vor. Natürlich werden auch  dort  die Interessen der Vereine wahrgenommen, aber sie haben keinesfalls eine ähnlich starke Position wie bei uns. Und interessanterweise führt das genau zum Gegenteil, von dem, was einige Vereine bei uns befürchten: verlässliche Strukturen und Spielmodi, die aufgrund dieser Transparenz auch für den Zuschauer leichter zu verstehen und nachvollziehbar sind. Das würde dann ganz automatisch für eine höhere Planungssicherheit bei den Vereinen sorgen. Zusätzlich besteht natürlich auch die Chance – für mich persönlich ist diese nicht einmal klein – dass sich für so eine verlässliche Liga mehr Zuschauer und Sponsoren begeistern. Von Presse, Funk und Fernsehen mag ich noch gar nicht reden.

Ein starker Verband also, der sich zu Ligenstrukturen, die natürlich der Mehrzahl der Vereine entgegenkommen, entschließt. Was geschieht jetzt mit Vereinen, die in solchen Strukturen benachteiligt werden? Das führt sicher zu unschönen Situationen. Haben Sie schon einmal versucht, es bei mehr als zehn Teilnehmern jedem recht machen zu wollen? Das ist praktisch unmöglich. Der Verband sollte in seiner Position hart bleiben. Ganz hart und deutlich gesagt: Kein Verein wird gezwungen in einer bestimmten Liga mitzuspielen. Sollte es sich herauskristallisieren, dass die Anzahl der Vereine im professionellen oder semiprofessionellen Bereich nur für beispielsweise zwei Ligen reicht und alle anderen unter dem Landesverband spielen müssen, wäre das auf Dauer mit Sicherheit auch keine Katastrophe.

Ein starker Verband, der sich durchsetzt, wäre auch in der Lage, das für deutsche Verhältnisse völlig unpassende Konstrukt, der abgeschlossenen DEL, auf ein von deutschen Eishockeyfans viel besser angenommenes Maß zurückzuführen – natürlich mit Auf- und Abstiegsoption. Vielleicht kann ja die in diesem Jahr in Deutschland stattfindende Eishockey-WM eine kleine Euphorie entfachen, die den entscheidenden Stein ins Rollen bringen könnte, lostritt. Viel Hoffnung habe ich nicht, aber die stirbt bekanntlich zuletzt.

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3 Kommentare »

  • René said:

    Der Autor fragt nach Beispielen in Russland, Finnland, Schweden oder Tschechien. Weiss er denn, dass in der, gerade zu Zeiten internationaler Turniere gerne in den Fokus gerückten, Schweiz auch nicht immer alles so funktioniert, wie es gedacht war? Ich erinnere mich, dass Biel das System gar nicht schmeckte und sogar das Zivilgericht eingeschaltet werden sollte.

    Aber was ist nun mit Deutschland? Ohne Frage wäre ein starker Verband einer der Pfeiler, den das deutsche Eishockey grundlegend stützen könnte. DEL, ESBG, DEB, LEVs – jeder kocht sein Süppchen und keiner (!) ist wirklich an eine Lösung interessiert, die für den Sport besser, für die eigene Position aber schlechter wäre.

    Zudem ist es eine Frage der Flexibilität, welche ein solcher starker Verband haben müsste. Während in anderen Ländern Aktiongesellschaften auf dem Eis kurven (wieder der Blick in die Schweiz), entzweihte sich auch an der Frage, ob ausschließlich Vereine Eishockey spielen dürfen, einst die Liga.

    Der immer mal wieder erschallende Ruf nach einer DEL (mit DEL1 und DEL2), sowie von DEB verwalteter unterer Ligen, wurde bisher vor allem unter der Auf/Abstieg-Frage diskutiert – nur ene Liga tiefer, als üblich. In dem Ruf enthalten ist aber auch die Forderung nach einer starken Liga und einem starken Verband. Man kann die Uhren nicht zurück drehen und eine übergeordnete Instanz erfinden, sondern gewachsene Strukturen anerkennen.

    Der Zug des einen starken Verbandes ist abgefahren, aber die starke Liga und der starke Verband in mehr als bloßer Kooexistenz, ist möglich.

  • HOHO said:

    Ich stimme dem Autor in seiner Beschreibung eines
    “Gelegenheitszuschauers” zu. Ich bin so einer, der die Geschicke seines Heimatvereins in Dortmund zu Beginn einer Eishockeysaison mit Interesse verfolgt. Und ich frage mich jedes Mal, warum zum Saisonauftakt nur 600 Zuschauer da sind, zur gleichen Zeit aber 50.000 Leute zum BVB pilgern, weil dort das neue Haargel der Profis präsentiert wird. Die Analyse ist einfach.
    - Der sportliche Wert einer Liga, die es mit hoher Wahrscheinlichkeit in der nächste Saison in der Zusammensetzung, Organisation nicht mehr geben wird, geht gegen Null.
    - Die Identifikation mit einem Team, dessen Kaderzusammensetzung sich jedes Jahr total verändert ist nicht gegeben. Es fehlen die
    “altbekannten Gesichter” im Team.
    - Play Offs. Was soll ich mir 20 – 30 Heimspiele angucken, wenn es sowieso erst in den Play Offs oder Play Downs um was geht?
    - Mich, als “Gelegenheitszuschauer” interessiert es doch überhaupt nicht, wer Gesellschafter von wem ist, welcher Verband welche Liga organisiert. Ich möchte eine klare, einfache Struktur, bei der ich erkennen kann, wer wohin aufsteigt, wer wohin absteigt.

    Vorschlag: Auch wenn man es nicht gerne hört. Übernahme der Struktur des DFB. 2 Auf- und Absteiger. Weg mit Play Offs und Play Downs. Längere Bindung der Spieler an einen Verein. Ab der 4. Liga Organisation in den Landesverbänden.

  • Jochen said:

    Die Pre-Playoffs wurden in vielen Ländern vor einigen Jahren eingeführt. Im Grunde macht das auch Sinn, denn man will nicht einen Großteil der Liga dem Abstiegsrisiko aussetzen und dafür hat man eine Minimalchance in die richtigen Play-offs einzuziehen.

    In Tschechien wird der Modus unter der Extraliga auch immer wieder geändert. Die letzte Änderung ist 2 Jahre her, als man die 2. Ligaebene (nennt sich 1.Liga) eingliedrig gemacht hat. Allerdings gibt es immer wieder auch Zwischenrunden, die auch einem sinnlos erscheinen. Auch interessant ist ja die Tatsache, daß die Zuschauerzahlen in Deutschland auch unterklassig ganz gut sind. In der russischen Provinz oder der tschechien 2. und 3. Ligaebene sind dreistellige Zuschauerzahlen mehr die Regel.

    Mir fehlt bei der ganzen Diskussion immer wieder auch eine Art Demut vom normalen Fan, die Bedingungen für Profieishockey in seiner Breite nachzuvollziehen. Das fängt mit der DEL an. Es gibt zu diesem Thema sogar juristische Fachliteratur, da die DEL damals die erste eigenständige Profiliga war und man Neuland bei vielen Dingen betrat (z.B. Durchgriffshaftung bei den Clubs trotz Ausgliederung in GmbH, Kartellrecht, usw). Bei der Fußball-Bundesliga hingegen, die von den 4 großen deutschen Sportligen als letztes juristisch eigenständig wurde, waren viele Fragen längst gelöst und man konnte viele Dinge leicht umsetzen. Andere Sachverhalte sind auch nicht wirklich gelöst und werden beim Fußball ausgeblendet.

    Am wichtigsten sehe ich aber den Faktor Finanzen. Wer glaubt, Leistungssport wäre nur ehrlicher Sport irrt, und zwar schon immer. Leistungssport ist auch immer von den Ressourcen abhängig, die man zur Verfügung hat. Früher waren es Trainer oder die Infrastruktur, heute ist es vor allem Geld. Und da hat Eishockey nun mal von Grund auf das Handicap des kostenträchtigen Kunsteises. Seit Beginn der Bundesliga gibt es immer wieder Pleiten, so daß man also nie eine solche Kontinuität hat wie beim Fußball, zudem hat sich das dort in die 4.Liga verlagert, das Eingangstor für die Lizenzierung. Im unterklassigen Bereich spielen zudem oft persönliche Dinge der Verantwortlichen eine Rolle. Das zieht sich von der Oberliga-Organisation, die ja schon erwähnt wurde, über die Regionalligen (z.B. das unendliche Theater bei der Nord/Nordost-Staffel) bis zur untersten Ligaebene, wo man oft nicht weiß, wie der Spielbetrieb klappen soll (z.B. wie in Trier, die ständig Hallenprobleme haben). Ich glaube allerdings auch, daß vieles in der Organisation besser laufen könnte. Aber dazu gehört eben auch ein anderes Anspruchsdenken der Fans und wohl auch die Einsicht, daß Eishockey in Deutschland mit seinen ca. 250 bespielbaren Eishallen eben nicht nur durch guten Wille aufrechtzuerhalten ist. Wenn also Fans sich auch mit weniger zufrieden geben und Verantwortliche mal sich wirklich zusammenreissen, würde wohl wirklich mal die geforderte Kontinuität eintreten.

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