“Ich liebe meine Mannschaft…”

18 Juni 2010 Text: Manuel Ort
Foto: Tino Boos

Nach einem turbulenten Jahr und dem Gewinn der deutschen Meisterschaft, hat sich Tino Boos gewiss eine kleine Pause verdient. Das wir von STARTING6 aber auch auf gar nix Rücksicht nehmen, ist hinlänglich bekannt. Wir haben den gebürtigen Düsseldorfer also direkt nach dem Familienurlaub zum verbalen Tänzchen gebeten und ihn über seine Ex-Vereine, den Alpenvulkan und die Nationalmannschaft ausgefragt.

>> Während Deiner wohlverdienten Sommerpause belästigen wir Dich gerade bei was?

“Momentan zu Hause auf der Couch – in Düsseldorf”

>> Tino, Du hast lange Jahre in Kassel und Köln gespielt. Zwei Clubs, die im Moment alles andere als sportliche Schlagzeilen machen. Wie sieht man als Spieler dieses Lizenztheater oder ist es Euch egal, in welcher Art von Liga man spielt?

“Es kann uns ja gar nicht egal sein. Ich sehe die Entwicklungen, gerade bei meinen Ex-Vereinen, besorgniserregend. Hoffe aber natürlich, dass unser toller Sport auch in diesen Städten weiter existieren kann.”

>> Die Huskies und die DEL operieren gegenseitig mit Anwälten und juristischen Winkelzügen. Hat das für Dich noch etwas mit Sport zu tun?

“Hier geht es bei den Vereinen ums Überleben, deshalb kämpfen sie mit blankem Messer. Aber auch hier ist es nur ein Beispiel dafür, dass die Clubs/Liga nicht an einem Strang ziehen. Das wäre aber nötig, um den Eishockeysport nach vorne zu bringen.”

>> Wäre Dir eine Rückkehr zum Eishockey zu den Zeiten deines Vaters mit Auf- und Abstieg unter dem Dach des DEB lieber oder sagst Du, die DEL bringt Euch Spielern finanziell so viele Vorteile, dass man den jetzigen Modus beibehalten sollte?

“Nein, auf keinen Fall. Man sollte ja auch nicht alles schlecht reden. Es ist verdammt schwer, 15 unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bekommen. Früher war bei weitem nicht alles besser. Das ist nur das Wunder unseres Gehirns, dass wir die schlechten Sachen nach einiger Zeit vergessen. Über den Modus kann man auch unendlich diskutieren, aber so hart das auch ist, vielleicht schrumpft sich die Liga momentan gesund.”

>> Apropos DEB. Du hast im Jahr 2007 Deine Karriere in der Nationalmannschaft beendet. Hättest du deine Entscheidung gerne noch einmal rückgängig gemacht, nachdem das Nationalteam bei der Heim-WM so klasse aufgespielt hat?

“Eigentlich nicht. Ich habe die WM als Fan genossen und den Jungs die Daumen gedrückt. Zudem habe ich mich gefreut, unseren Meistertitel ausgiebig feiern und dann mit der Familie in den Urlaub fahren zu können.”

>> Eine Diskussion die besonders jetzt nach der WM wieder Beachtung finden muss und hoffentlich nicht durch den Erfolg der Nationalmannschaft zurückgeschoben wird: Die Frage nach dem “Wie geht es jetzt weiter im deutschen Eishockey”? Macht ihr Spieler euch Gedanken über die Lage und den Stellenwert des Eishockeys in Deutschland?

“Natürlich machen wir Spieler das genauso wie alle anderen Eishockeyinteressierten. In letzter Zeit wird Deutschland noch mehr und mehr zum Fußballland. Es gilt jetzt, die Menschen für einen wesentlich interessanteren Sport zu gewinnen. Versteht sich von selbst welchen ich meine.”

>> Wenn wir schon beim Stellenwert sind: Die Namen der Fußballspieler der ersten Bundesliga kennt fast jedes Kind in Deutschland. Ist man als Eishockeyprofi da manchmal neidisch oder eher froh, dass man eher nur ein lokaler “Promi” ist?

“Neidisch nicht, denn jeder hat sich seinen Sport selber ausgesucht. Was sollen denn z.B. die Judokas oder Leichtathleten sagen? Ich kann gut leben, genieße die Anonymität und um unseren Stellenwert in Deutschland zu verbessern, sind wir und die Funktionäre selbst verantwortlich.”

>> Wenn du einige Regeln oder Ausrüstungsvorschriften ändern könntest, welche wären das und warum ?

“Ich würde die Torhüterausrüstungen weiter verkleinern. Die Regeln sind klar und gut, aber sie müssen halt richtig und einheitlich angewendet werden.”

>> Ist Eishockey auch nach so vielen Jahren noch ein Traumberuf?

“Wer sein Hobby zum Beruf gemacht hat, wird sich selten beschweren.”

>> Ein Beruf wie jeder andere oder einer der härtesten Berufe der Welt?

“Es gibt nicht viele Menschen, die unseren Job ausüben können. Der härteste würde ich aber nicht unterschreiben.”

>> Was ist in der Realität anders als die Vorstellungen, die man als Nachwuchsspieler hat?

“Die heutigen jungen Spieler kennen den Job von klein auf. Es wird schon früh sehr hart und professionell trainiert. Das war zu meiner Zeit noch ganz anders. Daher sind Sie schon ganz gut vorbereitet.”

>> Welcher Sportler hat dich abseits des Eishockeys bisher am meisten beeindruckt?

“Da gibt es viele, aber die Biographien von Max Schmeling und Lance Amstrong haben mich sehr beeindruckt.”

>> Fühlt man sich nach vielen Profijahren noch dem Club verbunden, auf dessen Eis man das Spielen erlernt hat oder sieht man das eher so wie die Schule, an die man nach einem Abschluß kaum noch denkt?

“Sicher freut man sich immer noch in der Heimatstadt zu spielen, aber die Erinnerungen verblassen schon über die Jahre. Paradoxerweise spielen ja mehr Düsseldorfer in Hannover als in Düsseldorf.”

>> Tino, ihr seid mit Hannover Meister geworden, doch bei vielen Eishockeyfans gilt Hannover als Indianerland und die Scorpions als ungeliebter Retortenclub mit Event-Publikum. Stört Dich so eine Einschätzung?

“Nein, überhaupt nicht. Unser Fanstamm kommt noch größtenteils aus dem Umland, wir haben eine schöne warme Halle, saubere Toiletten und Kabinen. Dafür braucht man sich nun wahrlich nicht schämen. Ziel ist es möglichst, viele Menschen für unseren Sport zu gewinnen. Für welchen Verein ist zweitrangig.”

>> Würdest Du trotz allem gern mal tauschen und bei den Indians am Pferdeturm spielen?

“Ich liebe meine Mannschaft und solange ich noch mit Ihnen zusammenspielen kann, werde ich das tun. Ich muss mich aber auch bei den Indians bedanken, weil sie mir die Möglichkeit gegeben haben, mich bei Ihnen nach meiner Knieverletzung, fit zu machen. Unter den Spielern herrscht eh eher ein freundschaftliches Verhältnis.”

>> Du warst gerade im Urlaub – wie schaut dein Programm während der Sommerpause sonst so aus? Was treibt ein Eishockeyprofi den lieben langen Sommer lang?

“Wir haben einen umfangreichen Trainingsplan erhalten, den es gilt abzuarbeiten. Ansonsten die Wochenenden genießen, Freunde und Familie sehen.”

>> Neben den internationalen Sportveranstaltungen, wie jetzt der WM, interessierst Du Dich auch für die NHL?

“Ich bin kein absoluter NHL Fachmann, aber für die entscheiden Finalspiele bin ich die letzten Jahre schon aufgestanden.”

>> Du hattest Hans Zach mehrere Jahre als Trainer – wie hart ist der Alpenvulkan wirklich?

“Er ist hart und offen mit seiner Meinung, aber nie nachtragend und immer hilfsbereit. Ich glaube, er hat einem Spieler noch nie einen Sonderurlaub verweigert.”

>> Danke, dass Du dir Zeit für dieses Interview genommen hast – weil Du brav warst, darfst Du ausnahmsweise noch jemanden grüßen…

“Vielen Dank. Dann grüße ich alle deutschen Eishockeyfans”


Ein kleines Ratespiel gibt es noch zum Schluss: Welche Eishockeyspieler befinden sich auf dem Foto? Ihr wisst es, dann schreibt an redaktion@starting6.de – zu gewinnen gibt es einen Keks!


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