Die Mutigen

22 Dezember 2010 Text: Björn Fricke

Im Schatten der sportlichen Misere der Indians eilte das neu geschaffene Oberliga-Team der Hannover Braves in der Nord-Liga von Sieg zu Sieg. Als Spitzenreiter geht das Team von Bruce Keller in den Dezember. Zeit das Projekt einmal genau unter die STARTING6-Lupe zu nehmen.

Drittklassig auf dem Papier

Es ist schon ein kleiner Etikettenschwindel diese Oberliga Nord. Sportlich sicherlich nicht ebenbürtig mit seinen drei Brüder-Ligen findet man hier trotzdem eine ordentliche Portion Profi-Eishockey mit den Rostock Piranhas und den Teams aus Adendorf und Braunlage. Kein Etikettenschwindel ist jedoch das Team der Hannover Braves, ein Mix aus vielen jungen Wilden, geführt von wenigen erfahrenen Spielern, unterstützt durch die beiden Kontingent-Spieler Dustin Korlak und Matt Cook.

Es läuft und läuft

Aus dem von Stadionpächter Müllerchen gegründeten Team der Pferdeturm Towers ist unter der Federführung von Indians-Präsident Dirk Wroblewski und Trainer Bernhard Kaminski eine neue Vision der Nachwuchsförderung geworden. Als zweites Farmteam der deutschen Eishockeygeschichte geht nach den Eisbären Juniors mit den Hannover Braves ein Drittliga-Nachwuchs-Team auf Jungfernfahrt. Das diese so am Schnürchen laufen würde, Übungsleiter und “alter Hase” Bruce Keller hatte es wohl auf dem Zettel. Niemand sonst dachte großartig das dieses neugeformte Team in so kurzer Zeit genügend harmonieren würde um den Großen aus Braunlage, Rostock und Adendorf ernsthafte Konkurrenz zu machen. Es ist die perfekte Mischung, angeleitet von den erfahrenen Ex-Hannoveraner-Profis Keller und Co-Trainer Bryan Phillips auf der Bank eilt man von Erfolg zu Erfolg und grüßt momentan von der Tabellenspitze.

Eine riesige Chance

Leider ist der Hannoveraner Nachwuchs noch nicht dort, wo er eigentlich sein müsste. Zu viele Teams im Stadtkreis dünnen die Nachwuchs-Riegen aus und verhindern momentan das Aufstellen eines DNL-tauglichen Teams. Somit ist es für den Nachwuchs zumeist unmöglich die große Lücke zu den Profis der Indians in der zweiten Liga zu schließen. Mit der Übernahme der Lizenz der Pferdeturm Towers fügt man für die Junioren nun eine Zwischenstufe ein, die es zum einen den auf eine Profikarriere hinarbeitenden Talenten ermöglichen soll schrittweise im Profi-Eishockey Fuß zu fassen. Zum anderen bietet man den einen normalen Berufsweg einschlagenden, aber aus den Jugendmannschaften herauswachsenden Spielern ein zu Hause als Amateur mit hohen Wettbewerbsbedingungen. So sollen in Zukunft mehr Spieler, nach Vorbild des aus dem Hannoveraner Nachwuchs stammenden Jan Hemmes vorbereitet und ausgebildet werden, auf eine hoffentlich lange und erfolgreiche Karriere in den Reihen der großen Indianer. Einen Schritt weiter schaffte es bekanntlich Andy Reiss, bei den Indians noch gut scorender Stürmer, verteidigte er sich nach seinem Wechsel zu den Scorpions bis ins DEB-Team und ist eine wichtige Stütze im Team des deutschen Meisters. Auch er lernte das Schlittschuhlaufen in der Jugend beim EC Hannover.

Langzeitprojekt Talentschmiede Hannover

Alleine finanziell ist das Projekt Hannover Braves einzigartig. Viele werden sich fragen, wenn schon die Berliner ihr Team einstampften und lieber eine Förderlizenz-Kooperation mit Dresden bzw. ab dieser Saison mit dem ETC Crimmitschau eingingen, wie kann man das offensichtliche Risiko in Hannover stemmen? Nun, wie überall ist dies nur möglich durch das im Hintergrund stehende Konzept der EC Hannover Indians GmbH. Die Infrastruktur der Profi-GmbH erlaubt mit Sponsorenhilfe zunächst für einige Jahre dieses neuartige Modell. Wirtschaftlich ist der Verein vielen anderen Clubs in der Liga meilenweit enteilt, man verfügt über einen eigenen Fanshop mit einer überwältigen Fan-Artikel-Kollektion und macht das Maximum aus seinen Möglichkeiten. Weiterhin strömen die Fans trotz sportlicher Magerkost an den Pferdeturm und man ist in der Stadt als Marke durch die Bank akzeptiert. So beginnt man nun behutsam das Fundament für die Profimannschaft zu vergrößern.  Für Präsident Wroblewski steht dabei jedoch stets die finanzielle Konsolidierung im Vordergrund, er wird auch bei den Braves keine Kostenexplosion die den Verein gefährdet zulassen. So beobachtet man also zunächst die Entwicklung und wenn man ein Risiko eingeht, dann eher das über kurz oder lang zuwenig Talente herausspringen. Schaut man sich jedoch die ersten Ergebnisse in dieser Richtung an, so kann man sagen, schon jetzt profitieren die Indians davon ein zweites Team im Profi-Bereich zu besitzen.

Torhüter-Talente wie am Fließband

Eine große Achillesferse der Indians war schon immer die Torhüterposition. Mit Roman Kondelik hatte man zwar über lange Jahre eine exzellente Nummer eins, aber dessen Verletzungsanfälligkeit kostete die Indians unter anderem den Aufstieg in der Playoff-Serie gegen die Dresdner Eislöwen in der Saison 2004/2005. Nach der letztjährigen Katastrophensaison mit dem nicht überzeugenden Goalie-Duo Mastic und Voigt, entschloss man sich zu einem Umdenken. Hinter dem als neue Nummer eins verpflichteten Thomas Ower, sollten mehrere Talente eine Chance erhalten. Diese sollten jedoch nicht auf der Bank einrosten, sondern in Rotation bei den Braves agieren. So verpflichtete man neben Peter Holmgren noch das junge Torwart-Talent Jonas Langmann. Nach der erfolgreichen Förderlizenz-Kooperation mit Youri Ziffzer vom Nachbarn Scorpions, der die Indians am Ende sogar vor dem sportlichen Abstieg bewahrte, revanchierte man sich diese Saison und stattete das junge Talent Langmann mit einer Förderlizenz für den DEL-Club aus. Der Rest ist eine Erfolgsgeschichte. Inzwischen haben beide jungen Scorpions-Torhüter Ziffzer und Lukas Steinhauer eine Förderlizenz für die Braves. Sass Steinhauer bisher nur auf der Bank, absolvierte Youri Ziffzer gegen den Hamburger SV (Endstand 8:5) schon seine erste Partie am für ihn inzwischen ein Stück heimischen Pferdeturm. Es wird sicherlich nicht der letzte Einsatz gewesen sein.

Die Berufung von Jonas Langmann in den Kader der U20-Nationalmannschaft ist der erste große Erfolg. Hannover mausert sich zur Nachwuchs-Goalie-Hochburg. Bei allen drei Profi-Teams der Stadt stehen junge deutsche Talente im Tor. Die Stadt mit ihrem enormen Eishockeypotential nimmt endlich trotz aller Lokalrivalität ihre Pflicht in der Nachwuchsförderung an. Sieht man bei den Scorpions nun noch ein, dass man auch im jüngeren Nachwuchs die Kräfte bündeln sollte, wird Hannover und die Region endlich auch das Nachwuchs-Powerhouse zu dem das Potential definitiv vorhanden ist.

Trainer-Söhne auf dem Sprung zur Profi-Karriere

Neben den erfreulichen Entwicklungen der Goalies, nehmen auch mehrere andere Talente den Zwischenschritt in Richtung Profi-Eishockey gut an. Zu nennen sind hier unter anderem Trainer-Sprößling Jeffrey Keller und Robin Thomson, Sohn von Pferdeturm-Legende und Ex-Coach Greg Thomson. Stürmer Jeffrey Keller entschied sich noch vor der Saison gegen ein Probetraining in Crimmitschau und beendete die Saison in Langenhagen bei den Jets in der Regionalliga Nord, während Robin Thomson für ein Jahr nach Kanada ging um in der kanadischen Junioren-Liga  MJHL Spielerfahrung bei den Selkirk Steelers zu sammeln. Sie werden neben Thomas Dreischer schon jetzt in beiden Teams des ECH eingesetzt. Hoffnungen setzt man auch in einige andere Akteure, u.a. den schon für die Indians im Oberligateam aufgelaufenen Armin Finkel und den in seiner Spielweise sehr an Publikumsliebling und Kampfschwein Jan Welke erinnernden Robin Ringe. Das sind sicherlich nicht alle Talente im Braves-Kader, aber wohl diejenigen die am zeitnächsten den Sprung zu den großen Kriegern schaffen können.

Gemeinsam sich den Nachwuchs ziehen

Das Thema Nachwuchs in Hannover war schon immer ein schwieriges Unterfangen. Getreu dem Leitspruch “viele Köche verderben den Brei” gibt es im Großraum der Stadt eine Anzahl an Nachwuchs-Teams, die man sonst nur aus Bayern gewöhnt ist. Da die Zahlen an Aktiven aber trotzdem sehr limitiert sind und es eben für einen Nordclub extrem schwierig und teuer ist in den höchsten Jugendligen zu melden, dümpelt die große Mehrheit der Teams momentan ferner Liefen in zweitklassigen Jugendligen vor sich hin. Der logische nächste Schritt ist es nun, nach dem das Kapitel Braves auf einen erfolgreichen Weg gebracht wurde, sich mit den entsprechenden Vereinen zusammenzusetzen um zumindest im Junioren- und Jugendbereich eine Spielgemeinschaft zu schaffen deren Ziel die höchsten Jugendspielklassen sind. Ist eine Kooperation im Seniorenbereich absolut nicht machbar und niemals akzeptierbar, sollten zumindest bei den Kleinen neue Wege gegangen werden. Denn davon, egal ob Talent, ob Zweitligaclub, ob DEL-Team, profitieren alle.



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