Ein hessisches Herbstmärchen

14 Oktober 2010 Text: Björn Fricke

Wenn man ganz unten angekommen ist, siehst Du wer Deine echten Freunde sind. Diese Lebensweisheit wird sicherlich nicht nur uns mit auf den Weg gegeben worden sein. Wir wollen nun auch keine “aale Kamelle lehren”, von diesem gruseligen hessischen Eishockeysommer, sondern vielmehr erzählen warum in Frankfurt und Kassel nun niemand mehr fürchten muss “gans unne” zu sein.

Ein Club ging offen vorran und ergab sich seinem Schicksal. Ein anderer kämpfte mit den härtesten Bandagen, um am Ende noch tiefer zu fallen. Die Rede ist von den Frankfurt Lions und den Kassel Huskies die an diesem Wochenende in Form der Löwen Frankfurt und der EJ Kassel Wiederauferstehung feierten. Vor vollem Haus.

Dazu brauchte es viele Freunde, auf den Rängen, auf dem Eis, hinter den Banden, aber man hat es bravourös geschafft. 5082 und 5185 Zuschauer säumten die traditionsreichen Ränge der Kasseler und Frankfurter Eissporthallen und feierten den Neubeginn.

Es gibt für einen Club-Manager nichts schöneres als den Schiedsrichter bitten zu lassen die Partie später anzupfeifen, weil die Kassen nicht rechtzeitig die langen Schlangen von Fans abhandeln können. Beides geschah an diesem Wochenende. Ein Zeichen, gesetzt von den Fans für ihre Vereine. Ein “You’ll never walk alone” als echtes Statement, gesungen und angestanden vor dem Spiel. So schafft man Hoffnung.

Einmaliges Erlebnis

Butterweich dürften die Knie gewesen sein, selbst bei einem DEL-Haudegen vom Format eines Markus Jochers, der extra für den Neubeginn noch ein letztes Mal die Schlittschuh schnürte.  Sowie bei Shane Tarves der mit seinen 56 Lenzen sicher nicht die “Eisjugend” im Namen des neuen Kasseler Teams verkörpert, es sich aber trotzdem nicht nehmen lässt Wiederaufbauarbeit zu leisten. Aber genau das braucht es für einen erfolgreichen Neubeginn. Diese eigenen Legenden, die sich nicht zu schade sind noch einmal die Knochen hinzuhalten für ihre Liebe, ihren Verein. Die Inspiration und Antrieb sind für eine neue Generation Eishockey in Hessen, die wieder an alte glorreiche Zeiten anknüpfen will.

Das beide Teams am Ende ihre Gegner mit Kanter-Ergebnissen vom Eis fegten bleibt nebensächlich. Selbst wenn es Niederlagen gesetzt hätte, man hätte wohl die Menschen trotzdem mit einem Lächeln nach Hause gehen sehen. Denn sie haben bekommen, was sie sehen wollten. Eishockey! Hartes und bodenständiges Eishockey. Frankfurt und Kassel leben wieder.

Wir würden uns freuen, wenn sich andere Vereine, vor allem die in der höchsten deutschen Spielklasse endlich frei machen würden vom Abstiegsgespenst und der damit verbundenen Angst vorm Sturz ins Bodenlose. Ein Neu-Anfang ganz unten schweisst zusammen und gemeinsam kommt man auch wieder hoch. Auch nächstes Wochenende werden sie wieder pilgern in die Stadien und möglicherweise erneute Schlagzeilen machen mit Zuschauerrekorden.

Einen Zuschauerrekord in der Oberliga-West gab es am Wochenende übrigens auch. Die Teufel aus Nauheim begrüssten etwas über 2000 Zuschauer im Colonel-Knight-Stadion gegen den EV Duisburg. Darunter auch einige Dauerkartenhalter der Frankfurt Lions, die zu diesem Spiel freien Eintritt erhielten. Eine nette Geste. Aber überflüssig. Denn Frankfurt hat selbst ein Eishockeyteam.

Der Tag an dem das hessische Eishockey wieder aufstand

Es ist vielleicht nur eine einmalige Momentaufnahme, aber wir persönlich glauben auch nächste Woche wird es voll werden in Hessens Eishockeystadien. Wir wünschen es allen drei Teams. Wir wünschen es uns für das Eishockey.Vor allem wünschen wir uns aber auch, dass in den Club-Etagen diese Botschaft ankommt und endlich der Sperr-Riegel, der auch die Insolvenzen von Kassel und Frankfurt nicht verhindern konnte, fällt. Nur Auf- und Abstieg, nur offener Wettbewerb, Erfolg und Scheitern, Abgesang und Neuaufbau schreibt diese Eishockeymärchen und schafft diese Spiele und Momente, an die man sich noch Jahre später gerne erinnert. Wo ein gemeinsamer Wille ist, kann auch ein Weg gefunden werden. Aale Kamelle, aber wahr.

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4 Kommentare »

  • Kevin said:

    Alles schon erlebt, das ist nix neues am Anfang sind se alle noch da, “wie früher” lasst mal ein paar spiele auf niedrigstem Niveau über die Bühne gehen, evtl klappts nicht gleich beim ersten mal mit dem Aufstieg schon sind keine 1000 mehr da!

    Leider wahr! in 3-4 Jahren können wir weiter reden dann sollten F und K wieder mindestens drittklassig spielen.

  • Michael said:

    Ich muss Kevin zustimmen. Nach einem Spiel ein Fazit zu ziehen, ist, wie die Zuschauerzahl einer Partie zwischen der DEG und dem KEC auf ddie Zuschauerzahlen der DEL schließen zu wollen.

    Auch der Verweis auf das Abstiegsgespenst der DEL-Mannschaften läuft fehl. So spricht auch der Vereinsvorsitzende der Eishockeyjugend Kassel, Marc C. Berghöfer, davon, dass “nur die Hälfte der Leute gekommen wäre, wenn wir in der zweiten Liga gespielt hätten.” Er wird es einschätzen können und liefert der DEL somit ein weiteres Argument am Status quo festzuhalten.

  • Björn Fricke (author) said:

    Ich finde gerade diese Aussage sollte zum Nachdenken anregen. Warum würden nur die Hälfte der Leute kommen wenn es in der zweiten Liga wäre? Kommen die Leute nur einmalig wegen dem Spektakel?
    Muss der Sport sich nicht zumindest dem Interesse der Zuschauer annähern, entsprechend spektakulär sein, wie es im Rahmen der Regeln machbar ist?

    Jeder hat im Endeffekt sein eigenes Konstrukt im Kopf, wie er sich Profi-Eishockey vorstellt. Wenn man dann realistisch an die Sache rangeht, dann versteht man schnell die wirtschaftlichen Hintergründe, die das momentane DEL-System tragen.

    Ich möchte gar keine Grundsatz-Diskussion führen. Diese Zahlen vom Wochenende sollte man mal als positive Meldung über den Eissport in Erinnerung halten und nicht gleich wieder wegdiskutieren. Ich spreche ja selbst schon von einer Momentaufnahme und es liegt an den Zuschauern in Kassel und Frankfurt mit, wie schnell der Aufbau vorran geht. Der gängige Pessimismus darf auch mal wieder einen Tag bei uns ruhen, die nächste Horror-Meldung wartet doch schon.

    Ich habe am Pferdeturm selber gesehen wie es von ganz unten wieder hoch ging und jeder weiss wie viele Jahre in der Oberliga dazu nötig waren. Trotzdem wächst ein wirtschaftlich gesundes Konstrukt herran und droht momentan wieder einmal aufgrund der brisanten sportlichen Situation zu kippen. Aber das gehört nunmal zum Sport, zum europäischen Profisport.

    In Amerika kennt man Auf- und Abstieg gar nicht. Undenkbar auf dem europäischen Sportmarkt. Was die DEL hier praktiziert kommt beim europäischen Fan einfach nicht an. Weil man es auch nicht gewöhnt ist. Es muss um etwas anderes gehen als die goldene Ananas, sonst bleiben die Leute aus.
    In Frankfurt und Kassel gehts darum sich wieder hochzufighten, das gefällt den Leuten. Deshalb kommen sie. Sie wollen sehen, ob es klappt oder nicht. Das bedeutet Spannung und Anreiz. Schon hat man die Schlangen vor den Kassen. Solange man den aufrecht halten kann, wirds die Schlangen auch weitergeben. Dabei ist es völlig egal welche Liga.

  • Koppsi said:

    Die grosse Zuschaueranzahl beim 1. Frankfurter Heimspiel war sicherlich mehr eine “Trotzreaktion” getreu dem Motto: Jetzt erst Recht – wir beginnen (wieder) von vorne und wir packen es! Es war ein Beweis, allen zu zeigen dass wir UNSEREN Löwen die Treue halten, und keine Schönwetterfans sind, welche nur bei Erfolg, und nur in der höchsten Spielklasse auftauchen. Es ist auch ein Beweis dass wir Vertrauen in die neue Vereinsführung haben und den Neubeginn unterstützen. Ich schätze, dass sich bei uns ein Zuschauerschnitt zwischen 3 – 4.000 einpendeln wird. Und ich gehe jede Wette ein: wir 3 – Mannschaft, Führung und Fans – meistern diesen Neubeginn! AUF GEGT’S LÖWEN

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