Festival der Empty-Arena-Tore

28 Oktober 2010 Text: Matthias Häger
Foto: Michael Welsing / flickr.com unter CC-Lizenz

Spiel der Woche, Blick auf den Spielplan und nebenbei die Zuschauerdiskussionen ausgeblendet… Moment. Zuschauerzahlen, da bietet sich doch etwas an. Am Samstag treffen die Kölner Haie und die Düsseldorfer EG aufeinander. Kölsch gegen Alt, Landeshauptstadt gegen Millionenstadt, Dom gegen Dome – das rheinische Derby bietet viele Anknüpfungspunkte. Doch STARTING6 stellt dieses Duell unter das Motto “Duell der leeren Hallen.”

In der roten Ecke, die Kölner Haie. Der ehemalige Vorzeigeverein der Liga verliert sich in finanziellen Problemen, glänzt durch Theater rund um den umstrittenen Trainer Bill Stewart und bringt sich mehr durch Spielerrauswürfe als sportliche Erfolge ins Licht der Öffentlichkeit. Für die Haie tritt an, die LanxessArena, 18.500 Plätze, davon im Schnitt 8.821 besetzt. Seit Jahren ist bekannt, dass die Haie bei diesen Zuschauerzahlen ein strukturelles Minus haben. Doch was tun? Die Lentsstraße gibt es nicht mehr und der Vorschlag böser Zungen, doch in der KölnArena2 zu spielen, ist für die Liga auch nicht tauglich. Taumelnd und schwächelnd bewegt sich der ehemalige Weltmeister durch den Ring.

Gegenüber in der blauen Ecke, die Düsseldorfer EG. Ebenfalls ein Traditionsclub und mehrfacher deutscher Meister. Wurden früher in der Brehmstraße die Dauerkarten noch vererbt, gibt man heute an die nächste Generation höchstens die Unlust am Eishockey und den leeren Platz im Oberrang weiter. Oberrang? Ja, das hat der ISS Dome, der für die DEG in den Ring steigt. Auch wenn man ihn meistens nicht sieht, denn er ist schön verhängt. 13.400 Plätze, davon im Schnitt 4.246 belegt. Auf dem Papier liegt der ISS Dome im Kampf um die leerste Halle der Liga deutlich in Front.

Mißglückte Aktion der DEG-Fans

Man könnte also meinen, Eishockey ist in Düsseldorf und Köln ein Erlebnis von vorgestern. Selbst die Derbys sind beliebig und harmlos geworden. Nichts mehr von den Schlachten früherer Jahre, keine klangvollen Namen wie Truntschka, Kießling, Hiemer, Hegen oder Valentine. Stattdessen Dubielewicz, Beechey, Sixsmith oder Lupaschuk. Ach nee, letzterer wurde ja gefeuert. Ein Beweis für die Beliebigkeit und Austauschbarkeit der auftretenden Heroen.

Ein volles Haus in Düsseldorf wäre selbst beim rheinischen Derby eine Überraschung, der mittlerweile auf den letzten Platz abgerutschte Kölner EC lockt in Düsseldorf keinen mehr hinterm Ofen hervor, da wartet man lieber noch ne 12 Tage länger und begrüßt den Hoppeditz. Helau!

Wie arg die ausgebluteten Fangruppen unter dem Zuschauerschwund leiden müssen, zeigt eine Guerilla-Aktion der DEG-Fans. In einer Nacht-und-Nebel Aktion verhängten sie in Köln das Haie-Logo am Trainingszentrum und ließen das DEG-Wappen glänzen. Eigentlich eine gute Aktion, eine fiese Aktion, die das Derby anheizt. Wenn, ja wenn man denn genug Leute gehabt hätte, um alle nötigen Buchstaben nach Köln zu bringen. So ließ man ein T zuhause und sorgte mit der Landeshaupstadt für… ja für was eigentlich? Gelächter? Aufmerksamkeit? Eigentlich für gar nix. Moritz Müller nahm das Banner am morgen beinahe kommentarlos wieder ab und die Haie gaben sich dem geregelten Trainingsbeginn hin. Eine Aktion, die früher die Stadt zum Kochen gebracht hätte, wird beinahe teilnahmslos hingenommen. Armes rheinisches Derby. Armes Eishockey.

Fazit

Straft mich Lügen, liebe Fans! Fühlt Euch ruhig von mir provoziert. Das Derby bedeutet Euch was, das Spiel ist für Euch ein Highlight? Dann zeigt das auch. Am Samstag um 19:30 im ISS Dome zu Düsseldorf. Macht aus dem Spiel wieder ein Eishockeyerlebnis, macht es heiß, macht es giftig, macht es dreckig. Das Spiel soll Wellen schlagen, das Spiel soll tagelang die Presse beherrschen, so wie es legendäre Duelle an der Brehmstrasse früher auch geschafft haben. Ich will am Dienstag Schlagzeilen lesen, über Tore, über Fights, über Duelle auf den Rängen – und bitte nicht über Bill Stewart, der sich kaugummikauend eines Spielers entledigt und mit dem nicht vorhandenen Geld einen weiteren Söldner aus Nordamerika einfliegen lässt.

Zum Ende noch ein kurzer Blick in die STARTING6-Kristallkugel: Die ist zwar etwas verschwommen und nicht so klar wie in der Vorwoche, aber ich meine ein 2:5 aus Düsseldorfer Sicht zu erkennen. In dem Sinne genehmige ich mir jetzt ein Kölsch: Prost und Alaaf!



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3 Kommentare »

  • michael said:

    Die Krise des Derbys ist vor allem die Folgen der Aufkündigung der Auswärtsfahrten. Der Auswärtsblock beim Derby ist die Keimzelle für ein Fanbewusstsein.

    Seitdem die Haie die Metrostars Anfang der 00er Jahre Derby für Derby vermöbelt hatten, haben die Düsseldorfer Fans beschlossen, das Derby einseitig aufzukündigen. Damals fuhr man nicht mehr nach Köln, weil man in jedem Spiel aus der Halle geschossen wurde und nicht mehr, wie in den 90ern, mindestens auf Augenhöhe war. Dieses Denken wurde an die jüngeren Fans weitergegeben und sogar bewahrt, als die DEG wieder konkurrenzfähig wurde.

    Heute erzählen die einen an den Haaren herbeigezogene Geschichte, warum das Derby kein Derby mehr ist und dass man darum nicht nach Köln fährt. Und die Düsseldorfer, die das Derby pflegen, werden immer weniger, weil ein Derby mit 50 Gästefans kein Derby mehr ist.

    Man kann wirklich nur hoffen, dass die Düsseldorfer ihre Fangemeinde wieder in den Griff kriegen. Und sei es durch Aktionen wie die Haupstadt-Sache. Ohne funktionierende Fangemeinden gibt es irgendwann kein Derby mehr.

  • Karl-Heinz said:

    Sehr schöne Kolumne.
    Man sollte zum Haie Zuschauerschnitt noch sagen, dass die Durchschnittszahl 8,821 Platz 2 in der Zuschauertablle der DEL bedeutet und die DEG damit auf Platz 5 liegt.

    (Quelle: http://del.stats.pointstreak.com/attendance.html?leagueid=487&seasonid=5838)

    Bis auf Berlin (Platz 1 mit über 13.000 Zuschauer) haben für mich alle anderen DEL Vereine ein mehr oder weniger großes Zuschauerproblem.
    Und das die Haie mit diesem Schnitt auf Platz 2 stehen sagt schon einiges hierüber aus.

  • firefunky said:

    ( leider ) gut getippt Matthias, RESPEKT

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