Eine Phrase jagt die nächste

9 Juli 2010 Text: Manuel Ort
Foto: NASA Goddard Photo and Video / flickr.com

Wie auch das Sommertheater, so gibt es zur selben Jahreszeit eine immer wieder kehrende Phrasendrescherei, wenn es z.B. darum geht Spielerverpflichtungen bekannt zu geben. Auch im sonstigen Tagesgeschäft sind Phrasen immer wieder gern gesehen und werden für alles versklavt.

Es wäre ja langweilig ohne…

Würde man für jede Phrase, die in Pressemitteilungen verwendet wird, einen Euro in ein mächtig großes Sparschwein werfen, so hätte das deutsche Eishockey innerhalb kürzester Zeit keine finanziellen Probleme mehr. Aber gut, was wäre das deutsche Eishockey schon ohne finanzielle Probleme? Richtig: Es wäre langweilig. Wir würden ja nicht einmal wissen was wir mit der ganzen freien Zeit im Sommer anfangen sollen? Vor allem jetzt, nachdem die deutsche Fußballnationalmannschaft das Halbfinale verloren hat.

Verfolgungswahn?

Ein Gedanke beschäftigt mich trotz allem immer wieder – er verfolgt mich nachts wenn ich einschlafe, morgens wenn ich aufwache und von tagsüber möchte ich jetzt gar nicht sprechen. Woher haben diese Pressesprecher die ganzen Phrasen? Woher, verdammt? Gibt es da einen geheimen Geheimbund für Pressesprecher? Vielleicht die “Pressluminaten”?  Es muss etwas geben – ganz sicher. Mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks haut diese Spezies Mensch Sommer für Sommer eine Phrase nach der anderen heraus – als wäre es abgesprochen. Und: Was würden die echten Illuminaten dazu sagen? Ich bin der Meinung, dass wir Galileo Mystery einschalten sollten – zu brisant ist dieses Thema – wir finden: Das sollte von Profis recherchiert werden.

Na und was nu?

Jaja – es SOLLTE von Profis recherchiert werden – es muss nicht. Und da es eben nicht sein muss, haben wir uns eingeschaltet und versuchen euch anhand dieser Phrasen mal zu erklären was für Nachtjacken eure Sportliche Leitung da gerade eben verpflichtet hat. Das ganze System funktioniert wie in der Schule – kennt ihr sicherlich alle noch ganz gut. Am Ende vom Jahr steht dann “Er hat sich stets bemüht” im Zeugnis. Für den, der damit nicht umzugehen weiss, hört sich das nicht schlecht an. Aber seien wir mal ehrlich, wenn wir das unseren Eltern mit nach Hause gebracht haben, die wussten sofort was los ist – da hiess es dann gleich ohne Essen ins Bett.

>> “…ist ein läuferisch starker Zwei-Wege-Stürmer, der auch weiß wo das Tor steht”
Eigentlich eine absolut typische Phrase – auch immer wieder gern benutzt. Meist für einen Spieler, den “koi sau” kennt, der nie gescoutet wurde – meist noch nicht mal gedraftet ist. Man vertraut hier einfach auf die vollmundigen Versprechen der Spielerberater und hofft das sich der Spieler zu dem entpuppt was man sich von ihm erhofft hat. Man könnte sagen, es ist die typische Umschreibung für eine “Wundertüte”.

>> “Spieler xxx ist jung, dynamisch und erfolgshungrig”
Ähnliche Beschreibung wie auch beim Zwei-Wege-Stürmer. Ein junger Spieler der es in der Heimat nicht ins große Geschäft geschafft hat, aus welchen Gründen auch immer, findet irgendwo auf der Welt einen Verein in einem Land das er auf einer Landkarte vermutlich noch nicht einmal zeigen könnte. Bei dynamisch muss man fast davon ausgehen das der Spieler klein ist und ohne Hilfe nicht mal über die Bande gucken kann. Erfolgshungrig? Sollte das nicht prinzipiell Eigenschaft eines Profis sein?

>> “Es handelt sich um einen robuste Verteidiger, der einen guten ersten Pass spielen kann”
Vermutlich geht es hier um einen Verteidiger, der einfach robust ist, weil er groß und schwer ist. Den “guten ersten Pass” hat er vermutlich vor fünf Jahren in einer Nachwuchsmannschaft das letzte Mal gespielt und bis heute fehlt der zweite oder sogar dritte Pass um die Klasse zu bestätigen. Ähnlich wie beim Zwei-Wege-Stürmer hofft man auch hier auf die Versprechungen des Spielerberaters – der muss es schließlich wissen – der beobachtet seine Klienten schließlich jeden Tag beim Training.

>> “Ein junger Mann mit Perspektive…”
Richtigerweise ist von einem “jungen Mann” die Rede. In den meisten Fällen werden so Jugendspieler angepriesen, die es bei ihrem Heimatverein nicht in die erste Mannschaft geschafft haben. Es gibt also geschätzte 25 Spieler, die dort besser eingeschätzt werden als der Bub mit Perspektive. Apropos: Man kann auch eine schlechte Perspektive haben.

>> “Er ist torgefährlich und hat in der letzten Saison gezeigt was er kann”
Spielte letzte Saison bei irgendeiner Luschentruppe und wurde da als Einäugiger unter den Blinden auch noch Topscorer. Aber heute darf er endlich bei den Großen mitspielen. Die Chance einen echten Mitläufer verpflichtet zu haben ist groß.

>> “Er passt menschlich und sportlich genau in unser Konzept”
Dies bedeutet so viel wie, dass man entweder kein Konzept hat, oder das neue Konzept an diesem Spieler ausrichtet. So oder so, der Spieler kam nicht wegen den Statistiken. Die sind bei Spielern, die nur ins Konzept passen, meist grauenhaft. Das mit dem menschlichen endet meist auch mit dem Kopf in den Armen auf einer Bar im Lieblingslokal der Mannschaft – so haben wenigstens die Fans was von ihrem “Star” und man bleibt als “Feierbiest” in Erinnerung.

>> “Wir haben diesen Spieler schon länger im Visier”
Der Spieler wurde von irgeneinem Agenten schon vor einigen Jahren angeboten, war damals allerdings nicht gut genug – hat seitdem 47 Tore in Holland geschossen und passt jetzt auf einmal perfekt ins Konzept. Vielleicht ist es auch der Lieblingsenkel von Tante Emma die dem kleinen seit Jahren auf dem See hinter dem Haus beim üben zusieht.

>> “..hat keine Angst davor, da hin zu gehen wo es weh tut”
Der Spieler fährt vermutlich blind in jeden Zweikampf – ob nötig oder unnötig ist mal prinzipiell gesehen völlig egal. Meistens wird der Zweikampf dann verloren und man findet sich mit einer 2-Minuten-Strafe in Unterzahl wieder.

>> “…kennt die große Eisfläche und hat sich in Europa bereits einen Namen gemacht”
In Europa kennt ihn vermutlich keine Sau – deswegen tingelt er von Unterklasse-Verein zu Unterklasse-Verein und versucht eben das zu ändern. Das Argument mit der großen Eisfläche hilft ihm vor allem wenn es ans Wechseln geht – kein Kontingentspieler findet die Bandentür auf anhieb so schnell wie er. Keiner. Guter Mann also.

>> “…der gelernte Stürmer pendelte in den vergangene drei Jahren beständig zwischen verschiedenen Clubs der ECHL und AHL”
Das ist schnell erzählt. Er ist überall rausgeflogen und hofft das man ihn ihn Europa noch nicht kennt.

>> “…wir haben den Spieler mehrfach (intensiv) beobachtet.”
Der Name des Spielers wurde nicht nur bei hockeydb, sondern zusätzlich auch noch bei YouTube eingegeben. Intensiv schließt auch eine Suche bei Facebook mit ein.

>> “…der Spieler wurde uns von verschiedensten Seiten wärmstens empfohlen.”
Jeder will ihn unbedingt loswerden.

>> “…er ist unser (absoluter) Wunschspieler.”
Einer von 50, die auf der Liste standen, meist die Nummer 48, die dann wirklich gekommen ist. Heißester Kandidat, um nach nur einer Saison wieder sang- und klanglos zu verschwinden.

Alle Pressesprecher dürfen diese Phrasen natürlich weiterhin frei verwenden, aber sie sollten sich im klaren sein, dass nun ganz Eishockeydeutschland die Wahrheit kennt.


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2 Kommentare »

  • Marc said:

    HAHAHAHA Wie geil.
    Respekt!!!!

  • black f said:

    Sehr lustig und doch so wahr.
    Macht weiter so,es ist immer schön solche Berichte zu lesen.

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