Es gehören halt doch immer zwei dazu…

29 März 2010 Text: Manuel Ort
Foto: Privat

STARTING6: Das Thema “Schwalben” kommt auch immer mehr auf – gibt es hier eine Zunahme in den letzten Jahren, aus deiner Sicht?

Felix Winnekens: “Das Problem ist immer: Wann ist es eine Schwalbe? Hier haben wir oft das Problem, dass ja auch meistens eine Aktion des Gegenspielers vorausgeht. Typisches Beispiel: Ein Spieler setzt seinen Schläger am Körper des Gegners an und hakt leicht, der Spieler lässt sich theatralisch fallen. Nun haben wir vier Möglichkeiten: Das Haken pfeifen, die Schwalbe ahnden, beide Strafen aussprechen (was in der Regel keiner versteht, durchaus aber logisch ist) oder eben gar nichts pfeifen. Eine schwere Entscheidung, vor allem weil man sich schon sicher sein muss, das ein Spieler schauspielert. Beim Fußball hat man ja oft glasklare Szenen, bei denen Spieler gar nicht berührt werden und dann abheben – ganz ohne Körperkontakt gibt es das im Eishockey eigentlich überhaupt nicht.”

STARTING6: Pfiffe von den Rängen müsst ihr auch regelmäßig einstecken wenn es am Bullypunkt “mal wieder länger dauert”. Warum dauert es zu Anfangs oft so lang, wenn dann aber ein neuer Spieler am Punkt steht, wird sofort eingeworfen?

Felix Winnekens: “Meist reden wir noch mit den Centern und korrigieren sie, wir wollen ja vermeiden, dass wir sie wegschicken müssen. Man gibt ihnen also die Möglichkeit ihre Position zu korrigieren. Oft sind sie aber einfach unwillig, weshalb man sie dann austauschen muss. Prinzipiell sollte aber auch beim zweiten Anspiel Wert darauf gelegt werden, dass es sauber abläuft. Allzu lange sollte man dann aber nicht mehr warten, beim zweiten Verstoß eines Teams drohen ja immerhin zwei Minuten Strafzeit.

Länger dauert es also nur, wenn ein Spieler versucht sich einen Vorteil zu verschaffen und man ihn korrigieren muss. Wenn die Spieler immer vorbildmäßig stehen würden, könnten wir immer sofort loslegen und es gäbe kein Problem.”

STARTING6: Eigentlich heisst das, dass beim zweiten Mal absichtlich schneller eingeworfen wird, um so zu verhindern das man Strafen austeilen muss?

Felix Winnekens: “Wie gesagt, prinzipiell sollte man gerade beim zweiten Anspiel etwas Fingerspitzengefühl walten lassen und nicht unnötig verzögern. Das wichtigste ist aber, dass das Bully fair abläuft und kein Spieler einen unfairen Vorteil hat. Sonst muss man auch mal eine Strafe aussprechen – auch wenn das dann oft missverstanden wird.”

STARTING6: Eine für Zuschauer auch immer schwerer zu verstehende Regel hat mit dem Icing zu tun – mal wird gepfiffen, dann wieder nicht – teils aus unersichtlichen Gründen. Wäre es vielleicht nicht sinnvoller mal das “Touch-Icing” auszuprobieren, damit wären vermutlich die meisten Probleme gelöst.

Felix Winnekens: “Ich glaube eigentlich nicht, dass wir eine „Reform“ des Icings brauchen. Im Prinzip ist es ja eine sehr einfache Regel, die, wenn sie richtig angewendet wird, zu einem flüssigen Spielverlauf beitragen kann. Ich denke das Touch-Icing würde eine große Verletzungsgefahr mit sich bringen. Selbst wenn es in der NHL erfolgreich angewendet wird, muss man bedenken wie hoch das Risiko ist, wenn zwei Spieler mit voller Geschwindigkeit in die Ecke rasen um als Erster an den Puck zu gelangen. Selbst von den NHL-Kollegen bei Olympia habe ich einige Stimmen gehört, die gesagt haben, dass sie die Icing-Regel nach IIHF-Regelbuch sehr mögen.”

STARTING6: Angesichts der Diskussionen wäre es vielleicht auch sinnvoll, mal abgesehen von der Finanzierbarkeit, ausschließlich auf Profi-Schiedsrichter zu setzen? Wäre das auch etwas für dich?

Felix Winnekens: “Ich denke Profischiedsrichter sind auf jeden Fall der richtige Weg. Für uns Amateure ist es teilweise schon sehr anstrengend morgens früh aufzustehen, ein paar Stunden zu arbeiten und dann noch mehrere hundert Kilometer zum nächsten Spiel zu fahren. Ein Profischiedsrichter hat ganz andere Möglichkeiten ein Spiel vor- und nachzubereiten.

Perspektivisch könnte das auch für mich eine Option sein. Dazu müsste ich mich jedoch erst einmal als Hauptschiedsrichter in der DEL etablieren und davon bin ich ja noch weit entfernt. Interessant wäre es aber allemal…”

STARTING6: Vor kurzem haben sich Franz Steer (Rosenheim) und Fred Carroll (Nauheim) gemeinsam auf der Pressekonferenz nach dem Spiele darauf verständigt, dass Schiedsrichter oft gerade gegen Ende eines Spiels zu wenig Fingerspitzengefühl beweisen. Wird hier oft zu schnell gepfiffen und im Eifer des Gefechts vielleicht unnötig eingegriffen?

Felix Winnekens: “Kein Schiedsrichter möchte gerne ein Spiel entscheiden. Ich denke, dass wir deshalb schon versuchen gegen Ende des Spiels so wenig wie möglich einzugreifen. Uns wird gerade in den heißen Phasen, aber auch während des gesamten Spiels, immer wieder ans Herz gelegt, bei Entscheidungen nicht zu raten. Eine verpasste Strafe wird man einem Schiedsrichter wohl eher verzeihen, als eine zu viel ausgesprochene Strafe. Generell gelten aber in der 60. Minute die gleichen Regeln wie in der ersten Minute. Deshalb gibt es auch in der entscheidenden Spielphase einen Rahmen, an den sich die Spieler zu halten haben. Einen Freifahrtschein kann man also keinem ausstellen und auch Fingerspitzengefühl hat Grenzen.”

STARTING6: Felix, vielen Dank für die ehrlichen Worte, auch wenn das bei einigen Fans vermutlich auf nicht all zu viel Wohlwollen stoßen wird. Viel Glück für deine Zukunft und bloß nicht zu “soft” werden.

Felix Winnekens: “Vielen Dank. Es freut mich, wenn ich auch mal aus der Sicht des Schiedsrichters berichten darf. Wir kommen ja nicht so oft zu Wort und vielleicht sehen die Leute so, dass wir uns durchaus auch mit der Situation beschäftigen. Im Endeffekt wollen wir ja alles das Gleiche: Gutes Eishockey!“

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7 Kommentare »

  • Munile said:

    Klasse Beitrag. Auch mal Interessant die andere Seite zu hören.
    Macht weiter so.

  • MGS70 said:

    Schade dass der Linienrichter nicht auf die Frage eingegangen ist, weshalb Icing teils willkürlich gepfiffen oder eben nicht gepfiffen wird.

  • Felix Winnekens said:

    Ok, dann will ich versuchen auf die Icing-Frage noch einmal näher einzugehen. Es gibt ein paar Kriterien die dazu führen können, dass ein Icing “ausgewunken” wird. Vieles ist dabei Auslegungssache was vielleicht dazu führt, dass es als “willkürlich” erscheint. Wenn zum Spiel der Puck in unseren Augen nur langsam über das Eis geht, so dass wir der Meinung sind ein Veteidiger könnte ihn noch erreichen, wenn er mit voller Kraft läuft, dann müssen wir auswinken. Weiterhin ist es so, dass wenn ein Verteidiger den Stürmer irgendwie daran hindert den Puck anzunehmen oder zum Puck zu gelangen und es daher zum Icing kommen würde, dann müssen wir auswinken.
    Generell kann man sagen, dass immer wenn wir der Meinung sind, dass ein Verteidiger nicht alles unternimmt den Puck zu spielen und es deshalb zum Icing kommen würde, dann müssen wir auswinken. Wie gesagt, dabei gibt es halt auch viel Auslegungsspielraum…

    Ich hoffe diese Antwort macht es ein bisschen klarer!

  • Blackhawk said:

    Sehr geehrter Herr Winnekens,

    vielen Dank für dieses Interview. Schiedsrichter sind doch die Prügelknaben der Sportwelt. Man kann es nie allen Recht machen. Aber das ist nunmal euer Los und ich beneide jeden, der es bereit ist, freiwillig zu erfüllen. Ich bin bestimmt auch kein Waisenknabe, wenn man im Stadion ist und auf “euch blinde Schiris” meckert. ;)
    Aber das alles passiert im Eifer des Gefechts und hinterher stellt man immer öfters fest: “Eigentlich hat er gut gepfiffen!” :)
    Ich bin begeistert von der Offenheit ihrerseits bei diesem Interview und würde mir wünschen, dass es sowas viel öfters geben würde. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei den Einsätzen in den Playoffs.

    MfG

  • MGS70 said:

    Ja, die Aussage macht schon deutlich wo das eigentliche Problem liegt. Überall wo ein Schieds- oder Linienrichter Ermessensspielraum hat, kommt es zwangsläufig irgendwann zu verschiedenen Meinungen. Meiner Meinung nach gehört diese Regel mit dem im Interview angesprochenen Touch-Icing reformiert. Überspitzt gesagt haben Schiedsrichter mit jeder Art von Ermessensspielraum die Möglichkeit eine Mannschaft zu bevor- oder zu benachteiligen, ohne objektiv falsch zu pfeifen. So werden die Schiedsrichter nie aus der Schußlinie kommen. Dieses Problem betrifft aber nicht nur das Eishockey. Im Handballsport beispielsweise wird auch sehr intensiv über den Ermessensspielraum der Schiedsrichter bei angezeigtem Zeitspiel diskutiert. Während ein Schiedsrichter bei angezeigtem Zeitspiel nach dem spätestens zweiten weiteren Pass abpfeift, kann der nächste Schiedsrichter die Regel “sofort zum Abschluss kommen” auch mal so auslegen, dass noch eine weitere Minute gepasst wird. Ermessensspielräume helfen meiner Meinung nach niemandem.

  • Bejay said:

    Ich bin ja der Meinung, dass nicht die Schiedsrichter an sich der Hauptbuhmann der Fans sind, sondern die Auslegungsvorgaben und Regelergänzungen der DEL. 5+SD mit automatischer Spielsperre riskieren nur die wenigsten Profis und daher sind faire Fights in der DEL praktisch nicht existent. Die eigentlich angedachten 2+2+10 kommen viel zu selten zum tragen. Zum Thema “einmischen”, das muss natürlich unterbunden werden und würde auch unterbleiben, wenn es ähnlich des “verlassens der Spielerbank und einmischen” geahndet würde.
    Zum Thema Checks ist zu sagen, dass hier Herr Winnekens recht hat, wenn er sagt, dass viele Spieler nicht vorbereitet sind oder auch absichtlich in eine Position gehen in der sie von einem Check spektakulär getroffen werden. Jedoch wird leider in der DEL viel zu oft das Resultat anstelle des Vergehens geahndet. Ein sauberer Check bleibt sauber, auch wenn der Gecheckte danach 10 Minuten nicht mehr gerade aus schauen kann. Ich verweise auf das aktuelle NHL Lehrvideo zum Thema Check gegen den Kopf. Jeder der hier gezeigten Checks (legal wie illegal) wäre in der DEL mindestens eine SD wenn nicht MS. Das kann nicht sein und DAS stört die Fans.
    Interessant sind die Aussagen zur neuen NHL Regel. Schutz der Spieler OHNE DIE PHYSISCHE SEITE DES SPIELS ZU BESCHNEIDEN. Der letzte Teil wird in Deutschland leider vergessen.

  • Rjinswand said:

    Klasse Interview, bitte mehr davon und später vielleicht in einer eigenen Rubrik versammelt.

    So etwas gibt es in Deutschland nicht, im Gegenteil, hier pfeifen die Fans sehr schnell, selbst wenn der eigene Spieler nur einen harmlosen Schubser abbekommt.

    Erinnert mich an diesen schon etwas älteren post von einem Kanadier, der sich ein DEL-Spiel angeschaut an:

    While the game is different from what I’m used to, I thought there were a couple of big differences. Obviously the contact part of the game – where the fans saw penalties I saw good hits (the ref thought so too as the calls were pretty good).
    [...]My wife was always asking what happened as the fans thought something was happening and made it seem so.

    (Link)

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